Johannes J. Voskuil, Das Büro. Direktor Beerta

Manche Bücher begleiten einen ein Leben lang, religiös veranlagte Menschen sagen Bibel dazu, Menschen, die in der Bürokratie arbeiten, sagen Büro dazu.

Johannes J. Voskuil hat ein Leben lang in einem Amsterdamer Institut für Volkskunde an der Erstellung eines gigantischen Zettelkatalogs gearbeitet. Nach seiner Pensionierung hat er sich auf knapp fünftausend Seiten die erlebte Welt von der Seele geschrieben, sein Roman „Das Büro“ hat in den Niederlanden zu einer Welle geistigen und emotionalen Aufruhrs geführt. Der erste Band, Direktor Beerta, ist 2012 auf Deutsch erschienen.

Der Büro-Kosmos setzt damit ein, dass sich 1957 Maarten Koning mehr oder weniger nachlässig um einen Job im Volkskunde-Institut bewirbt, weil er Geld braucht.

Maarten Koning hat noch nicht richtig im Büro Platz genommen, da wird er schon in die Wichtelkunde eingeführt. Er muss fortan ein Leben lang erforschen, wie die Wichtelmännchen in Bräuchen, Geschichten und Zeugnissen im Land verteilt sind.

Er nimmt einmal genug Jause mit und einen Apfel, sitzt gleich am ersten Tag hilflos am Ufer einer Gracht und überlegt, was er mit dieser sinnlosen dreiviertel Stunde Mittagspause anfangen kann. Allein diese kontrollierte Mittagspause strotzt nur so vor Demütigung, es gibt letztlich nichts Verloreneres als einen Beamten hilflos mit sich allein in der Mittagspause am Fluss.

Am Abend des ersten Tages kehrt der künftige Wichtel-Experte heim zu seiner Frau und produziert einen Ehekrach.

Warum redest du nicht mit mir? – Weil ich alles, was zu sagen ist, schon im Büro ausgesprochen habe.

Das Büro frisst seine Leibeigenen vom ersten Tag an. Als der Held versucht, einzuschlafen wie ein Mensch, beginnt er plötzlich hemmungslos zu weinen, denn sein künftiges Leben liegt klar vor seinen nassen Augen: Er wird immer im Büro sein, er wird ein Leben lang auf Karten Wichtelmännchen eintragen, er wird seine Gedanken und Zukunftsentwürfe mit den Mitarbeitern und insbesondere mit Direktor Beerta teilen müssen.

Johannes J. Voskuils Roman von der Opferung des Lebens an die Bürokratie ist voll von stillem Charme, je skurriler die Figuren an die Arbeit herangehen, umso geschmeidiger werden sie in der Sinnsuche. Aus der ödesten Materie entsteht oft der größte Sinn, und wenn man als Held zu zerbrechen droht, reicht einem die Bürokratie in Gestalt eines Beamten-Witzes die Hand.

Dieser Roman unterhält wahrscheinlich Menschen, die nichts mit einem Büro zu tun haben. Wer aber die Ungnade hat, in einem Büro arbeiten zu dürfen, für den ist „Das Büro“ ein Überlebensmittel.

Johannes J. Voskuil, Das Büro. Direktor Beerta. Roman. A. d. Niederl. von Gerd Busse. [Orig.: Het bureau I; Meeneer Beerta].
München: C. H. Beck Verlag 2012. 848 Seiten. EUR 25,-. ISBN 978-3-406-63733-9.

 

Weiterführender Link:
Verlag C.H.Beck: Johannes J. Voskuil, Das Büro. Direktor Beerta
Wikipedia: J. J. Voskuil

Helmuth Schönauer, 14-12-2012

Bibliographie

AutorIn

Johannes J. Voskuil

Buchtitel

Das Büro. Direktor Beerta

Originaltitel

Het bureau I; Meeneer Beerta

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

C. H. Beck Verlag

Übersetzung

Gerd Busse

Seitenzahl

848

Preis in EUR

25

ISBN

978-3-406-63733-9

Kurzbiographie AutorIn

Johannes J. Voskuil, geb. 1926, schied am Tag der Arbeit 2008 freiwillig aus dem Leben.