Lydia Mischkulnig, Vom Gebrauch der Wünsche

Biographien entwickeln sich selten geradlinig, meist kreisen sie um ein paar Ur-Ereignisse und wer Glück hat erfährt auch noch zu Lebzeiten, worum er kreist.

Lydia Mischkulnig stellt in ihrem Roman „Vom Gebrauch der Wünsche“ ein Männerherz vor, das vor allem von Frauen betreut wird, nachdem es von einem Lebenskünstler enttäuscht worden ist.

Leon wächst als Einzelkind in einem Altersheim auf, wo in der altertümlichen Villa unter Mammutbäumen Mamu um den Lebensunterhalt bügelt. Diese will sich zwar immer wieder von einem Porschefahrer begatten lassen, aber diese verschwinden immer, als sie sehen, dass Mamu ja schon ein Kind hat.

In der abenteuerlichen Villa rennt Leon manchmal mit einem Schottenrock herum, um den alten Lebenskünstler Giovanni zu beglücken. Dieser verspricht ihm dafür, nie zu sterben, und enttäuscht ihn, als er tot aufgefunden wird. Gleichzeitig schwirrt eine magische Frau durch das Areal, sie lässt vielleicht Post verschwinden, kann Tango tanzen und hat todsicher ein Geheimnis.

Neben Mamu und der geheimnisvollen Frau schleicht sich inzwischen die unglückliche Schriftstellerin Elsbeth ins Leben von Leon, sie frisst alles in sich hinein, schreibt wortlos ihre Literatur und wirft ihm der Reihe nach drei Kinder in den Haushalt, mit denen Leon eigentlich nichts anfangen kann.

Elsbeth war eine Kopfmutter, aus dem Bauch heraus war sie brutal. (229)

Sie trennt sich und legt zum Trennungsbrief eine Anleitung der Krankenkasse bei.

Nach einigen Abenteuern, bei denen eine Frau einmal einen hoch witzigen Text spricht, „hast du zur Nacht gebetet? - warum? - ist von Othello“, ist Leon fünfundfünfzig, Leiter einer Sternwarte und beschließt beim Köpfen eines Frühstückseis, nicht mehr allein zu sein.

Jetzt läuft ihm wieder die geheimnisvolle Frau über den Weg, die gerade einen Asylwerder wegen der Staatsbürgerschaft heiraten muss. Dieses Mal aber werden die Wünsche ausgesprochen und in Gebrauch genommen.

In dieses fast triviale Schicksalsmuster erzählt Lydia Mischkulnig ganze Dome von Klängen hinein, das Altersheim tut sich von unten her auf als großer Kosmos wie in einem Abschnitt von Marcel Proust. Die Ehe-Angelegenheiten werden stumm erledigt, und als Leon einmal heimlich im Laptop seiner Frau liest, glaubt er im Grauen der Seele zu wühlen.

Mamu versucht noch einmal Tritt zu fassen im Leben, aber nicht immer gehen die Wünsche in jenes Glück über, mit dem man sie unterlegen will. So wird das Glück wieder flüchtig und unangreifbar wie das Flüchten für ein paar Stunden auf das Land, wo das Glück noch grün ist.

Es gibt kein Generalrezept, wie man von der Seele erzählen soll, aber mit diesen Mitteln könnte es gelingen, Ironie, kindliche Geradlinigkeit, sarkastische Dokumentation, kurzum: die Wünsche in die Hand nehmen und ausquetschen bis sie verbraucht sind. Lydia Mischkulnig nimmt die Sprache in die Hand und quetscht sie aus, bis der Roman wunschgemäß und makellos da ist.

Lydia Mischkulnig, Vom Gebrauch der Wünsche. Roman.
Innsbruck: Haymon 2014. 352 Seiten. EUR 22,90. ISBN 978-3-7099-7028-7.

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Lydia Mischkulnig, Vom Gebrauch der Wünsche
Wikipedia: Lydia Mischkulnig

 

Helmuth Schönauer, 07-05-2014

Bibliographie

AutorIn

Lydia Mischkulnig

Buchtitel

Vom Gebrauch der Wünsche

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Haymon Verlag

Seitenzahl

352

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-7099-7028-7

Kurzbiographie AutorIn

Lydia Mischkulnig, geb. 1963, lebt in Wien, Kärnten und Nagoya.