Martin Suter, Die Zeit, die Zeit

Manchmal sind es einfache Phänomene, die einen ein ganzes Leben lang verfolgen und am Ende gar eine Psychose auslösen können. So eine Erkenntnis, die letztlich die Menschen verrückt macht, lautet, dass nichts in der Vergangenheit oder Zukunft geschehen kann.

Martin Suter lässt seinen Helden Peter Taler mit einer geradezu filmischen Eröffnung aufwachen, „etwas ist heute anders“, mehr lässt sich anfangs noch nicht sagen.

In einem gewöhnlichen Vorstadtambiente gehen die Menschen ihren Verrichtungen nach, die aus Arbeit und gepflegtem Zeitvertreib bestehen. Gegenüber dem Haus des Helden liegt das Haus des seltsamen alten Mannes Knupp, der fallweise Apfelbäume erneuert und Gemüse nach einem geheimnisvollen Plan mit dem Geo-Dreieck pflanzt.

Peter Taler steht gewissermaßen unter Dauerschock, vor einem Jahr nämlich ist seine Frau an der Haustüre erschossen worden. Er fühlt sich schuldig, weil er, er auf das stürmische Läuten seiner Frau allzu lasziv reagiert hat, während sie erschossen wurde. Er muss den Mörder finden, damit Ruhe in den Zeitablauf eintritt.

Gerade die gewöhnlichsten Menschen könnten am ehesten den Weg zu Mörder zeigen. Mehr oder weniger zufällig entsteht eine Notfreundschaft mit dem alten Nachbarn Knupp, dem vor gut zwanzig Jahren die Frau verstorben ist, weil er offensichtlich den Urlaub falsch geplant und ins Land des Todes geflogen ist statt daheim zu bleiben.

Eines Tages wird Peter Taler ein Buch zugestellt, worin es eine Anleitung zur Überwindung der Zeit gibt. Man muss nur einen bestimmten Termin wieder rekonstruieren und kann dann das Leben rückgängig machen.

Während die Beziehungen und der Beruf des Helden den Bach hinunter gehen, plant er mit dem Nachbarn die Inszenierung eines bestimmten Tages unter Einsatz aller legalen und illegalen Mittel. Das Ende ist voraussehbar. Zwar gelingt vielleicht das Experiment, das bisherige Leben freilich scheint verloren.

Martin Suters Roman ist spannend von der ersten bis zur letzten Minute, wird darin doch mit allen Mitteln der Erzählkunst der Stillstand der Zeit initiiert. Manchmal wird etwa mitten im Gespräch die Zeit eingefroren, dann wiederum geht die Handlung in eine Wiederholung über, die den Leser fast verrückt macht, weil nichts mehr verlässlich ist.

Auch erzähltechnisch wird die Zeit immer radikal abgeschlossen. „Die Nelkengasse war eine kurze Sackgasse am Rande der Altstadt.“(42) Diese Gasse wird zeitgleich mit der Handlung „ausgezählt“ und entsorgt, obwohl sie vielleicht noch weiter existiert. - Ein Roman voller Erzählkunst rund um das Aushebeln der Zeit.

Martin Suter, Die Zeit, die Zeit. Roman.
Zürich: Diogenes 2012. 217 Seiten. EUR 22,60. ISBN 978-3-257-86219-5.

 

Weiterführende Links:
Diogenes-Verlag: Martin Suter, Die Zeit, die Zeit
Wikipedia: Martin Suter

 

Helmuth Schönauer, 10-08-2012

Bibliographie

AutorIn

Martin Suter

Buchtitel

Die Zeit, die Zeit

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Diogenes-Verlag

Seitenzahl

217

Preis in EUR

22,60

ISBN

978-3-257-86219-5

Kurzbiographie AutorIn

Martin Suter, geb. 1948 in Zürich, lebt in Spanien und Guatemala.