Peter Paul Wiplinger, Positionen 1960 - 2012
Ein Schriftsteller hat seinen geheimen Auftrag vermutlich dann erreicht, wenn er in seinem Werk unverwechselbar erkennbar ist, was oft mit der Ausarbeitung einer eigenen Literaturgattung einhergeht.
Peter Paul Wiplinger hat als literarischer Solitär die Gattung „Positionen“ entwickelt, wie sich in der Retrospektive auf die Jahre 1960-2012 zeigt. In seinem selbst redigierten „Lebens-Reader“ besticht diese chronologisch aufgebaute Erzählgattung durch die diversen Stufen der Öffentlichkeit. Da kommt es zu beinahe intimen Äußerungen in Briefen, wo es um den Gemütszustand und die Zukunftsperspektive des selbst-gequälten Ichs geht, bis hin zu öffentlichen Aufrufen und Konzepten, als Festvortrag, Präambel-Entwurf oder Einwand formuliert.
Überhaupt ist die Formenvielfalt der Gedanken schier unendlich, der Autor hat offensichtlich für jedes Anliegen auf seinem Sendemasten einen eigenen Transportkanal angelegt.
Für den Leser entsteht wahrscheinlich eine andere Wertung der Ereignisse, als sie der Autor für sich abgelegt hat, das liegt daran, dass aus der Frühzeit kaum noch die Bezugspersonen erinnerlich sind und dass für den Leser eher die literarische Skurrilität heraussticht als der dabei empfundene Schmerz.
An der Stelle mit dem geklauten Moped wird das deutlich, der Autor schreibt, dass er mit diesem Gerät schon viele wichtige Reisen zu sich selbst abgewickelt hat, weil er die großen Flüge hasst, dann wird ihm dieses Moped gestohlen und alle seine Erlebnisse werden damit quasi als ungültig erklärt. - Betroffen machen auch Stellen, wo der Autor den Weihnachtsabend als Portier einer nichtssagenden Bude absitzt, wo ihn gesundheitlich alles plagt, was sich Organe ausdenken können und am Krankenschein Pensionist steht, oder jene depressive Gemütsverfassung, wo es schlicht heißt:
„mir geht’s novemberlich, novemberlich, jämmerlich, bald dezemberlich.“ (71)
Auf der anderen Seite dieser Einmischungsskala stehen die politischen Briefe und Statements, wenn etwa ein ehemaliger SP-Minister in Tirol aufgefordert wird, etwas mit der Partei zu tun, ehe sie in der Niveaulosigkeit versinkt.
Meine Heimat ist vielleicht der Balkan, heißt es einmal und erklärt, warum immer wieder Einmischungen zur politischen Lage während der diversen Wenden stattfinden müssen, der Autor kümmert sich auch um einzelne Schriftsteller und rettet ihnen oft durchaus das Leben.
Ein eigenes Diskussionsfeld stellt vielleicht das interne Literaturgetriebe dar. Als Vorstandsmitglied des österreichischen PEN gibt es fast jeden Tag Skurriles zu bewältigen, sei es der Unfug der GAV, eine Doppelmitgliedschaft bei beiden Einrichtungen zu unterbinden, sei es die Laszivität des PEN selbst, der einmal die Verwandten von verstorbenen Dichtern auffordern will, einen Nachlass abzuliefern. Der Gegenvorschlag des Autors geht dahin, die Autoren mögen doch bei der Aufnahme in den PEN gleich den Nachruf abliefern, um das Sekretariat zu entlasten.
Die Themen Herkunft aus Haslach im Mühlviertl, Internat in Hall in Tirol und bodenständige Berufswahl beschäftigen Peter Paul Wiplinger jahrzehntelang, dabei ist durchaus ein später, milder Ton spürbar, etwa wenn er sich für einen versöhnlichen Aufenthalt im Kloster in Hall bedankt, in dessen Internat er einst eingeschlossen im teuflischen Tirol die Hölle erlebt hat.
Peter Paul Wiplingers Positionen sind ein Stück intime Autobiographie, eine zähe Chronik der Geschehnisse aus dem Literaturbetrieb und eine geradliniges politisches Manifest (294): „Es war immer das 'Trotzdem', das meinen Lebensweg ausgezeichnet hat, nie der Rückenwind, der mich vorwärts geblasen hätte, sondern immer die eigene gesammelte Kraft.“
Peter Paul Wiplinger, Positionen 1960-2012.
Wien: Löcker 2014. 486 Seiten. EUR 24,80. ISBN 978-3-85409-728-0
Weiterführende Links:
Löcker Verlag: Peter Paul Wiplinger, Positionen
Wikipedia: Peter Paul Wiplinger
Helmuth Schönauer, 27-07-2014