Peter Reutterer, Unter dem Himmel und in Berlin

Filmtitel sind oft für eine Epoche so prägend, dass ihre Schlüsselwörter sich wie ein visueller Ohrwurm in den Zeitgenossen festsetzen. „Der Himmel über Berlin“ überstrahlt seit 1987 als poetische Äußerung alles, was mit Himmel und Berlin zusammenhängen könnte.

Peter Reutterer setzt seine Gedichte mit Geschichten in zwei Kapiteln auf die Fundamente dieser Himmel-Berlin-Poesie.

Im ersten Teil sind quasi im Umfeld eines lyrischen Ichs die Tage, Sequenzen und Fügungen „unter dem Himmel“ ausgelegt. Dabei erklärt jemand aus einer anderen Epoche, was es mit der Wahlpflicht auf sich hat, echte Kartoffeln blitzen wie Freunde von einer Snack-Packung, das lyrische Ich hat immer Fußballprofi oder Geheimagent werden wollen und ist dann in einem Gedicht gelandet.

„Ich werde mich vermissen“, sagt ein sterbendes Ich und versucht dadurch in die Sammlung der besten letzten Worte zu gelangen. Ziemlich erotisch erkundigt sich eine Nachbarin über den Ständer, was aber vom Inhaber nicht im vollen Umfang wahrgenommen wird.

Beängstigende Nachfrage // Der Ständer sei nicht oben / mahnt mich die Nachbarin / von ihrer Haustür her // während ich mich für den Hinweis bedanke / steigt in mir die Angst radikal zu altern / und solcher Hinweise zu bedürfen auf / heftiger trete ich in die Pedale (19)

Im zweiten Teil sind die Geschichten und Gedichte in der aufkeimenden Weltkünstlermetropole verankert und klingen fast wie eine Frage: „Und in Berlin“ (79). Dabei sind die Menschen oft um U-Bahn-Stationen versammelt, an der Treppe zwischen Unterwelt und Oberfläche kristallisieren sich poetische Elemente heraus, die durchaus dem Himmel ebenbürtig sind. Diverse Lebensweisheiten und kulturelle Spitzfindigkeiten bewähren sich als alltäglicher Elchtest, ihre Botschaften haben etwas Beängstigendes an sich, das schnell wieder unter den Teppich gekehrt wird.

Umgekehrt proportional // Leute die ständig erkranken / haben für gewöhnlich überhaupt / keine Angst davor krank zu werden // anders als die zumeist / gesunden Hypochonder (110).

Die Geschichten tragen ihre Botschaft meist im Titel mit sich herum, machen den Leser neugierig und führen ihn dann in die Irre oder leiten ihn zumindest vom fest gestampften  Weg ab. „Auf fünf Schreibende kommt heute ein Leser“ (127), völlig unerwartet taucht diese Erkenntnis auf, man hat es schon immer geahnt, aber jetzt in dieser Geschichte vom „Literatursalon“ wird sie völlig glaubwürdig.

Peter Reutterers Kleinodien sind wie Kalendergeschichten dicht an den Alltag geklebt, manchmal macht sich der Leser selbst eine größere Geschichte daraus, an anderen Stellen lässt er den Text einfach wie einen Ohrwurm weiter klingen, da ist es wieder, dieses „Himmel über Berlin“.

Peter Reutterer, Unter dem Himmel und in Berlin. Gedichte mit Geschichten.
Gosau: arovell 2014, 161 Seiten, EUR 14, 90, ISBN 978-3-902808-65-3

 

Weiterführende Links:
Arovell Verlag: Peter Reutterer, Unter dem Himmel und in Berlin
Wikipedia: Peter Reutterer

 

Helmuth Schönauer, 17-01-2015

Bibliographie

AutorIn

Peter Reutterer

Buchtitel

Unter dem Himmel und in Berlin. Gedichte mit Geschichten

Erscheinungsort

Gosau

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Arovell Verlag

Seitenzahl

161

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902808-65-3

Kurzbiographie AutorIn

Peter Reutterer, geb. 1956 in Waidhofen/Thaya, lebt in Bergheim/Salzburg.