Peter Simon Altmann, Der zweite Blick

In Zeiten aufgewühlter Grapsch- und MeToo-Diskussionen wirkt ein literarisch-erotischer Roman umso zeitloser und hintersinniger.

Peter Simon Altmann schickt seinen Helden zwischen die erotischen Kulturen Europas und Japans und lässt ihn dort in einer empfindsamen Sprache anhand von alten Schriften das erotische Kerngeschäft der Gegenwart erledigen.

In einer Rahmen-Biographie wird der schrullig-adelige Oskar von Adlerhuld vorgestellt. Er hat vor allem viel Zeit und betreibt professionellen Müßiggang, dabei ist das Herumreisen geradezu Pflicht. Mit fünfundvierzig befindet er sich auf einem einzigartigen Höhepunkt, Körper und angelesener Geist spielen in einer Premium-Liga. Mit der Zeit kristallisiert sich die Erotik als Schwerpunkt des Genusses heraus.

Dabei wird der Held von zwei Muster-Träumen angetrieben, die ihn ein Leben lang verfolgen. Im ersten Traum nimmt er eine Frau mit nach Hause, und nach allerhand Aufwärm-Ritualen stellt sich heraus, dass die Frau einen Penis hat. Im zweiten Traum ist der Held als Casanova unterwegs und muss perplex feststellen, dass er eine Frau ist.

Der Kern des Romans ist als Ansammlung von Feldversuchen, Abenteuern und nachgespielten Erotik-Theorien angelegt. Die beteiligten Frauen werden wie chemische Elemente abgekürzt und anonymisiert. Der Name tut auch nichts zur Sache, wichtig sind Ambiente und kulturelles Umfeld. So ist der Erotik-Adelige in der ersten Phase quer durch Europa unterwegs, um vor allem koreanische und japanische Frauen zu verführen. Das Salzkammergut und insbesondere Hallstatt liefern dabei einen aquarellhaften Hintergrund, vor dem sich die Akte wie Kaligraphien inszenieren lassen.

Auf Reisen nach Japan und Korea wird die Erotik des Philosophen Kuki Shuzo studiert. Der Witz liegt darin, dass dieser Philosoph eigentlich Heidegger-Experte ist und alles Wesentliche mit dem Begriff Iki gleichsetzt. Der Ich-Erzähler probiert diese metaphysischen Stellungen in Dutzenden Iki-Sitzungen vor Ort aus.

Wieder zurück in Europa überlegt sich der Protagonist, ob er sich nicht allmählich einheimischen Frauen zuwenden soll, allerdings verfällt er zunehmend früheren Frauen und verfeinert deren Stellungen.

Obwohl man diesen Roman auch ordinär und stumpf als Sex-Gemetzel lesen und dokumentieren könnte, lässt einen der feine Ton der Erzählung immer an etwas Sublimes und Elegantes denken.

„Unsere Körper waren unruhig geworden“. (22) „Mein Auge war nicht satt zu kriegen, und ich verlangte nach mehr nackter Haut, deren Berührung mir als die Verheißung höchsten Glücks erschien.“ (55) „Ich streichelte und küsste ab und zu ihren nackten langen Oberarm, was ihr nicht unangenehm zu sein schien.“ (161)

Und dazwischen liest der Held alles, was Sinn macht, Ovid, Shuzo, Heidegger. „Im Gegensatz zum europäischen Dandyismus kann „iki“ sowohl von Männern als auch von Frauen gelebt werden.“ (71) Und was ist dann der zweite Blick? – Der Blick von Hintennach, mit dem man selbstaufgeklärt auf die ganze erotische Chose blickt.

Eine wundersame Aufklärung über die Metaebenen zwischen Mann und Frau und die Liebe auf den zweiten Blick.

Peter Simon Altmann, Der zweite Blick. Roman
Innsbruck: Edition Laurin 2017, 192 Seiten, 20,90 €, ISBN 978-3-902866-54-7

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Peter Simon Altmann, Der zweite Blick
Literaturhaus Wien: Peter Simon Altmann

 

Helmuth Schönauer, 27-10-2017

Bibliographie

AutorIn

Peter Simon Altmann

Buchtitel

Der zweite Blick

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

19,2

Preis in EUR

20,90

ISBN

978-3-902866-54-7

Kurzbiographie AutorIn

Peter Simon Altmann, geb. 1968 in Salzburg, lebt in Salzburg.