Phil Klay, Wir erschossen auch Hunde
Wenn Sprache zur Kommunikation dient, dann muss sie folglich durchdrehen, wenn ihre Anwender ständig Menschen töten anstatt mit ihnen zu kommunizieren.
Phil Klay, der seine Biographie am Cover auf seinen Einsatz als US-Marine im Irak reduziert, stellt in seinen zwölf Erzählungen Ereignisse vor, die auf den ersten Blick nicht von dieser Welt sind. Das beginnt mit dem ersten Satz eines Ich-Erzählers, der wie selbstverständlich davon berichtet, dass sie auch Hunde erschossen haben, die sie fachmännisch umbringen wie echte Feinde, mit drei Schuss hintereinander, sodass die Schockwellen der Gewehrkugeln das feindliche Gewebe zerstören, noch ehe das Herz getroffen ist.
Diese zwei Eigentümlichkeiten der Killersprache ziehen sich durch alle Texte: der scheinbar konstruktive Sound technischer Machbarkeit und die kryptographischen Verbrämungen scheinbarer Facts.
So heißt der Erzählband im Original Redeployement, was im Sinne von Umstrukturierung oder Versetzung der österreichischen Beamtensprache sehr nahe kommt, die ja auch das Unangenehme beschönigt und die Fakten tabuisiert.
Die Erzählungen heißen dann auch knapp und prägnant Truppenverlegung, Einsatzbericht oder Leichen. Sie geben sich amtlich straff wie ein schlecht sitzendes Protokoll, sind unter der Oberfläche freilich Dokumente kaputter Psychen.
Der Erzähler, der gerade im Irak-Einsatz als Feind-Substitut auf Hunde geschossen hat, flippt bei seiner Rückkehr in die USA aus, als er mit seinem persönlichen Hund wieder schmusen und schlecken darf. Freilich spürt der Hund die Entfremdung seines Herrn und wird krank, so dass man ihn schließlich beim Tierarzt einschläfern lassen will. Der Marine freilich bringt das nicht übers Herz, sein Tier von einem Fremden einschläfern zu lassen und erschießt ihn sauber und sorgfältig.
In einer anderen Episode wird im Einsatz ein feindlicher Junge erschossen. „Gute Arbeit, wenn sie sich aussprechen wollen“, (40) fragt der Vorgesetzte. Für die Marines ist alles ein schlechter Film.
Wir fuhren weiter, feuerbereit und ohne Ziel. (56)
Manchmal wird das Ungeheuerliche so spitz, dass es nur mit einem Code beschrieben werden kann. „PsyOps“ sind Maßnahmen der psychologischen Kriegsführung, die Leute von „Mortuary Affairs“ bringen die Toten heim, WIA heißt trocken „im Kampf verwundet“.
Phil Klay stellt die Figuren sowohl im Einsatz als erst recht hintennach bei der Heimkehr in eine eigene Welt, die nicht mehr mit der offiziellen zu korrespondieren vermag. Letztlich sind alle Blindgänger, traumatisierte Irrläufer und psychisch deformierte Gefühlsbündel.
Seine Erzählungen sind schwere Kost, klar, wahr, brutal. Sie handeln von der Hinterseite jener Sätze, mit denen Regierungen patriotisch ihre Jugend auf fremden Schauplätzen verheizt. Militärsprache, Beamtensprache, Geheimsprache sind verlässliche Begleiter der Akteure und Opfer, die letztlich sprachlos oder tot zurückbleiben.
Phil Klay, Wir erschossen auch Hunde. Stories. A. d. Amerikan. von Hannes Meyer.[Orig.: Redeployement, New York 2014].
Berlin: Suhrkamp 2014. (= st 4543). 300 Seiten. EUR 17,50. ISBN 978-3-518-46543-1.
Weiterführender Link:
Suhrkamp Verlag: Phil Klay, Wir erschossen auch Hunde
Helmuth Schönauer, 04-11-2014