Sigrun Höllrigl, Odysseus X

Odysseus gilt seit Jahrtausenden als jener Held, der hinaus muss ins Unbekannte ohne Rücksicht auf Verluste. Dieses Unbekannte können geographische Gebiete, Gefühle oder politische Verfahrensweisen sein. Mitzudenken ist immer seine Frau Penelope, die sich die Umtriebe ihres Mannes in der Ferne souverän ansieht und treu die Stellung hält.

Sigrun Höllrigl begreift in ihrem Dichtungs-Roman das Wesen der Schriftstellerei als Odyssee, deutlich auskristallisiert am Beispiel von Sylvia Plath (1932-1963), die ihr Leben als Expedition in die gesellschaftliche Wirrnis anlegt.

Zwei Stränge begleiten die Odyssee X durch das politische Bewusstsein des X-Chromosoms, wobei es mit vollem Risiko um das Ausleben ihrer eigenen Persönlichkeiten geht: Einmal ist es Sylvia Plath, die in markanten literarischen Zeugnissen ins Bewusstsein geholt wird, zum anderen ihre Verehrerin Sally Keane, die sich quasi als literarische Frau Eckermann um die Zitate und richtigen Auslegungen des Genies kümmert.

Die amerikanische Studentin Sally hat ein Stipendium für Cambridge erhalten und daraufhin ihren Freund, die Kindheit und alles, was an ein beengtes Ambiente in Detroit erinnern könnte, hinter sich gelassen.

Die Zitate und Lebensweisheiten der anerkannten und angebeteten Lyrikerin Plath werden nun auf den Prüfstand einer literaturwissenschaftlichen Analyse gelegt. Die Stipendiatin überprüft diese poetischen Strahl-Sätze und versucht damit ihr eigenes Leben mit einer originären Maßeinheit zu versehen. Im Cambridge-Milieu werden argwöhnisch die Lebensentwürfe, Marotten und Phrasen analysiert, mit denen die Studentinnen oft in einen akademisch pubertierenden Wettstreit antreten. Im Falle von Plath geht es um die radikale Frage, wieviel man aufgeben muss, um sich selbst zu finden.

Das Problem bei allen Genies ist ihre dünne Haut gegenüber der Realität des Alltags. Die Studentin Sally verfängt sich in hohlen Zitaten und misst zwischendurch sich selbst und ihre Kommilitoninnen an abstrusen Parametern der Poesie. Oft wird eine Situation semantisch aufgeblasen und schwermütig gemacht, dabei könnte es sich nur um einen kleinen Huscher handeln, wie er normale Menschen immer wieder überfällt, wenn sie es gar zu schwermütig angehen.

Sigrun Höllrigl steht souverän über diesen Heldinnen, die sie manchmal voll in Klischees auflaufen lässt. Das Betuliche bei der Kreation von literarischem Geniekult kommt bestens zum Vorschein, oft liegt das Gelächter schon ganz nah, aber dann gibt es eben den Rückfall in den literarischen Gestus, und da gibt es nichts mehr zu lachen. – Salopp formuliert: Odysseus X ist ein Heldinnenroman, bei dem die Schwermut der Protagonistinnen das größte Hindernis ist, um ins Freie zu gelangen.

Sigrun Höllrigl, Odysseus X. Roman.
Graz: Edition keiper 2015, 139 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-902901-68-2

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Sigrun Höllrigl, Odysseus X
Homepage: Sigrun Höllrigl

 

Helmuth Schönauer, 06-07-2015

Bibliographie

AutorIn

Sigrun Höllrigl

Buchtitel

Odysseus X

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Edition Keiper

Seitenzahl

139

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-902901-68-2

Kurzbiographie AutorIn

Sigrun Höllrigl, geb. 1966, lebt in Wien.