Susanne Gregor, Territorien

Von Territorien sprechen vor allem Militärs und Hunde, die einen erobern und verteidigen Territorien nach Befehl, die anderen stecken ihre Territorien ab und markieren sie mit gehobenem Bein.

Susanne Gregor setzt ihre Heldin Emma irgendwo in der Mitte an, wenn es darum geht, die Empfindungs- und Zukunftsgebiete einer Ehe abzustecken. Emma und Sam sind ein Ehepaar in Wien, er ist aus Nicaragua für ein Uni-Projekt nach Wien gekommen, sie ist zwar auch an der Uni, aber vor allem damit beschäftigt, die Schwangerschaft in den Griff zu bekommen.

Aus der Sicht Emmas ändert sich schlagartig das Dahin-Dümpeln zwischen Gegenwart und Zukunft, als der Anruf vom Tod des Schwiegervaters in Wien eingeht. Fast wie im Reflex-Koma starten Sam und Emma nach Managua, wo das Begräbnis abgewickelt wird.

Doch im Tropenregen Nicaraguas bockt sich für Emma das Leben in unerklärter Weise auf: Kann sie hier in Mittelamerika bleiben ohne Arbeitsplatz und Freunde, ist sie es ihrem Kind nicht schuldig, in die eigene Kultur zurückzugehen und den Mann aufzugeben?

„Die Stadt kommt mir jetzt ganz anders vor, viel größer, die Gesichter der Menschen, die ihre Köpfe durch das Taxifenster stecken wollen, aufdringlicher, die Wolken dichter, der Regen nasser, und auch die Vulkane am Horizont bedrohlicher, skeptisch betrachte ich diesen Ort, das hier also ist das Land, das unsere Liebe weggewaschen hat [...]“ (156)

Ein Schlüsselerlebnis im neuen „Territorium“ ist sicher ein Stromausfall während einer Ultraschalluntersuchung des Bauchinsassen. Wie soll dieses Kind mit der Welt zurechtkommen, wenn man nicht einmal mit Ultraschall mit ihm kommunizieren kann.

Nach vielen hirnzermarternden Nächten, Hitze- und Kommunikationswellen beschließt Emma, wieder nach Wien zurückzukehren. Aber dieses Wien ist nicht mehr, wie es gewesen ist, der Job an der Uni ist weg, die Freunde sind eigenartig mit sich selbst beschäftigt, so schnell kann es gehen, dass man aus einer Community abgekoppelt wird. Demütig und wie geprügelt muss sie zu Hause Unterschlupf bei den Eltern suchen und sich anhören, wie man ein Kind ordentlich auf die Welt bringt. Als dann noch Sam nach Wien zurückkehrt und wie bisher weitermachen will, explodiert die Lage bei einem Truthahn-Essen.

Diese scheinbar lapidare Story spielt sich bei allen jenen ab, die es wagen, einen Fuß vor die eigene Stadt zu setzen. Emma wird erschlagen von sich selbst, ohne Absatz rauschen innerer Monolog, Anweisungen, therapeutische Vorschläge durch das Hirn der Heldin. Die einzelnen Territorien der Wahrnehmung sind ineinander verschränkt, selbst beim besten Willen lässt sich keine logisch richtige Handlung setzen.

Susanne Gregor erzählt von einer scheinbar kompakten Zeit in ineinander gepressten Sätzen, die durchaus an Labyrinthe erinnern, worin sich Figuren und Leserschaft verlaufen.

Susanne Gregor, Territorien. Roman
Graz: Droschl Verlag 2015 207 Seiten, 19,00 €, ISBN 978-3-85420-966-9

 

Weiterführende Links:
Droschl Verlag: Susanne Gregor, Territorien
Wikipedia: Susanne Gregor

 

Helmuth Schönauer, 08-01-2016

Bibliographie

AutorIn

Susanne Gregor

Buchtitel

Territorien

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Droschl Verlag

Seitenzahl

207

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-85420-966-9

Kurzbiographie AutorIn

Susanne Gregor, geb. 1981 in Zilina/Slowakei, lebt in Wien.