Svetislav Basara, Die Verschwörung der Fahrradfahrer

„Der Zerfall nimmt üblicherweise seinen Anfang an Orten, auf die niemand achtet.“ (159)

Svetislav Basara hat seinen „Verschwörungsroman“ zeitgleich mit dem Zerfall Jugoslawiens geschrieben, jetzt nach einem Vierteljahrhundert erweisen sich Thema, Stil und Handlung als geradezu prophetisch im Hinblick auf Ausblick und Abrechnung für ein verschwundenes System. Das Thema ist über Nacht da, sagt der Autor, es gibt keine Roman-Form für so eine Umsturzsache, weshalb es im Roman ziemlich aufgelöst zugeht.

Chroniken, Protokolle, Listen und Gebrauchsanweisungen sind genau so spontan auf das Förderband für die Lektüre gelegt, wie auch das Nicht-Vorhandene immer angegeben ist. Ein Text ist mit einer Geheimdienst-Tinte geschrieben, die erst nach zweihundert Jahren sichtbar wird, andere Texte sind teilweise angebrannt, an entscheidenden Stellen angefault oder einfach in Verlust geraten.

Die Verschwörung der Fahrradfahrer beginnt wie alle wesentlichen Ereignisse des Universums in einer Bibliothek, dieses Mal ist es eine ganz mickrige, worin ein seltsamer Text gelagert ist.

Schier unendlich sind die Geheimnisse der Provinzbibliotheken. (15)

Von einer Skizze über das Zweirad des Teufels ausgehend, entwickelt sich ein System, das politische, religiöse und anarchistische Züge klug vermischt.

Unter dem Mantel von Wissenschaft, indem etwa das Fahrradgestell den Chromosomen von Mann und Frau gleichen soll, sogenannte Ketzer unter Folter die neuesten Trends bekannt geben oder Lebensprogramme mit alten Prophezeiungen gepaart werden, kristallisiert sich ein Geheimbund heraus, der sich manchmal evangelischer Fahrradverein nennt.

Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um mich an ihre Regeln anzupassen. (40)

Protagonisten treten mit ihren Sprüchen auf, legen ein paar Chroniken vor und verschwinden wieder im Sound der Geschichte.

Dabei ist nie klar, was scheinbar echt und was erfunden ist. Eine Insel beispielsweise existiert nur als Projektion ihrer Bewohner und hat folglich keine Chronik oder Geschichte. (87) An anderer Stelle heißt es dezidiert, dass Geschichte pure Erfindung ist, was bedeutet, dass man jede Geschichte auch von hinten her lesen kann. Wenn ohnehin im Sinne der Entropie alles auf einer Ebene aufgestaut ist, lässt sich auch dieser Roman am besten noch einmal von hinten her lesen, wenn man ihn von vorne geschafft hat.

In Svetislav Basaras Kultroman sind jede Menge Zitate, Querverweise und literarische Rätsel eingeflochten. Die Verehrung von Bibliotheken ist eine Hommage an Jorge Luis Borges, die Entropie jeglicher Geschichte eine Verbeugung vor Thomas Pynchon. Und die Hauptarbeit kommt ohnehin dem Leser zu, der den Roman aus den weiten Feldern voller Gedankenlaub zusammenkehren muss, auch den Lesern gilt die Verbeugung des Autors, ehe eine imposante Schlusserkenntnis folgt:

Das Rad, das sich vorwärts dreht, dreht sich in Wirklichkeit rückwärts.

Svetislav Basara, Die Verschwörung der Fahrradfahrer. Roman. A. d. Serb. von Mascha Dabic. [Orig.: Fama o Biciklistima, Belgrad 1988].
Berlin : Dittrich 2014. 405 Seiten. EUR 22,80. ISBN 978-3-943941-19-7.

 

Weiterführende Links:
Dittrich Verlag: Svetislav Basara, Die Verschwörung der Fahrradfahrer
Wikipedia: Svetislav Basara (engl.)

 

Helmuth Schönauer, 09-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Svetislav Basara

Buchtitel

Die Verschwörung der Fahrradfahrer

Originaltitel

Fama o Biciklistima

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Dittrich Verlag

Übersetzung

Mascha Dabic

Seitenzahl

405

Preis in EUR

22,80

ISBN

978-3-943941-19-7

Kurzbiographie AutorIn

Svetislav Basara, geb. 1953 in Bajina Basta, lebt in Belgrad.