Walter Kappacher, Land der roten Steine

Neben dem Tod gilt dem gelernten Österreicher der Antritt der Pension als der Höhepunkt des Lebens.

Walter Kappacher schickt seinen Helden, den an der Pensionskippe stehenden Arzt Wessely, in drei Kapiteln zum ultimativen Lebenskick. Unter den philosophisch abgehangenen Begriffen Vita nuova (7) / De vita beata (43) / La vita breve (129) reflektiert der Held sein Leben und versucht, möglichst zeitlos und gelassen alles zu ordnen, was bisher mit ihm geschah und vielleicht noch geschehen wird.

Zu diesem Zweck macht sich Wessely auf ins Land der roten Steine. Versteckt hinter sieben Canyons ragen zeitverwitterte Gebirge in die Luft, verkrümeln sich Gesteinssorten aus der Urgeschichte in sich selbst, verblassen Formationen äußerster Vergangenheit zu einem rötlichen Geflirre an Gegenwart.

Begleitet und geführt wird der Arzt von Everett, offensichtlich einem letzten Nachfahren längst ausgerotteter Einheimischer, der mit seinem Jeep sorgfältig und wortlos die Krusten des Naturschutzgebietes entlangfährt. In gigantischen Beschreibungen, die letztlich eine Huldigung an eine Geographie ohne Menschen sind, setzt sich dabei das rote Gestein in Szene. Ganz im Sinne der Kappacherschen Mythologie vom Auto darf auch kein Fuß in das Gelände gesetzt werden, nur mit dem wippenden Gaspedal darf man zu dieser Gegend „offroad“ Stellung nehmen. Der Held erlebt vielleicht genau das, was er gesucht hat, nämlich die Außerdienststellung des Menschen und sein Verschwinden in der Zeitlosigkeit.

Mitten im toten Gelände breitet der Scout quasi als Gleichnis von totem Material zur Jause ein Tischtuch aus, das die gleiche Gestalt hat wie jenes in Innsbruck, wo Wessely einmal studiert hat. (88)

Eingekleidet wird dieser monumentale Mittelteil von einem kurzen Flash in das bisherige Leben Wesselys. Alle sind schon gestorben, denkt er sich, als er einmal einen Stapel Salzburger Nachrichten nachliest bis zum Todesdatum seines Vaters. „Ich fragte mich, ob es mein Schicksal sei, es mit lauter Verstorbenen zu tun zu haben.“ (9)
Aus einem einzigen Liebesakt mit Elisabeth ist ihm vor Jahren die Tochter Hanne als „Bescherung“ zuteil geworden. (30) Mehr gibt es über das Leben nicht zu berichten, außer ein paar Lektüre-Versuche, die dann schon als Höhepunkt eines Jahres gelten können.

Und im Abschnitt über das kurze Leben geht es zum Schluss darum, den Ruhestand als Arzt anzutreten. Die Patienten haben noch Mühe, ihn als Ruheständler wahrzunehmen, aber auch er geht zwischendurch noch der Geschäftigkeit auf den Leim. „Auch er befand sich in der Falle.“ (137)

Walter Kappacher erzählt wie nicht von dieser Welt, ruhig, geologisch-morphologisch. Vielleicht besteht der sogenannte Pensionsschock darin, dass plötzlich nichts passiert, nie passiert ist und auch nie passieren wird. – Ein aufregender Roman über das Aussetzen jeglicher Geschäftigkeit.

Walter Kappacher, Land der roten Steine. Roman.
München: Hanser 2012. 157 Seiten. EUR 18,40. ISBN 978-3-446-23861-9.

 

Weiterführende Links:
Hanser-Verlag: Walter Kappacher, Land der roten Steine
Wikipedia: Walter Kappacher
 


Helmuth Schönauer, 10-04-2012

Bibliographie

AutorIn

Walter Kappacher

Buchtitel

Land der roten Steine

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Hanser-Verlag

Seitenzahl

157

Preis in EUR

18,40

ISBN

978-3-446-23861-9

Kurzbiographie AutorIn

Walter Kappacher, geb. 1938 in Salzburg, lebt in Obertrum.