Wilhelm Kuehs, Wer zuletzt lacht

Mittlerweile wird manchem Krimi-Schreiber selbst bewusst, dass das Fließbandschreiben nicht das Gelbe vom Ei sein kann, weshalb immer öfter in einem Nachwort erklärt wird, welch hohe Gedankengänge eigentlich im Krimi stecken.

Wilhelm Kuehs erklärt sein ungebremstes Schaffen mit der hohen Wahrscheinlichkeit, die in einem Krimi sitzt. Er zitiert den russischen Semiotiker Jurij M. Lotman, der sagt, „der literarische Text sei ein sekundäres modellbildendes System“. Im Kärntner-Krimi werden Elemente der Wirklichkeit transferiert, modelliert und manchmal bis zur Kenntlichkeit entstellt, um ein sekundäres System, eine narrative Welt zu schaffen. (333)

Wilhelm Kuehs entwickelt diese hohe Kunst der narrativen Kärntner Welt am Beispiel des Lokalredakteurs Ernesto, der zu jedem Schas eingeladen wird und folglich auch authentisch über ihn berichten kann. Im aktuellen Fall geht es um den Villacher Fasching, der bekanntlich den halben Kontinent mit seinen Pointen zum Lachen bringt. Ernesto druckst gerade an einem lustigen Artikel herum, da wird der Villacher Bürgermeister ermordet. Sein edles Gesicht saust bei offener Kamera in den Heringssalat, und die Züge entspannen sich in der Mayonnaise, das kann nur Mord sein.

Natürlich ermittelt auch die offizielle Kripo, aber Lokalgeschichten können nur von einem Lokalreporter in Echtzeit gelöst werden. Ernesto hört sich also ein bisschen um und schreibt daraus mehr als reißerische Artikel, nämlich kärntnerische. Der Bürgermeister hat viele Feinde gehabt, an erster Stelle seine Frau, die von einem jüngeren Double abgelöst worden ist, was auch für eine Bürgermeisterin emotional sehr schmerzhaft ist. Die zweite Feindesschicht besteht aus Unternehmern, die ihre Projekte nicht schnell genug im Grünland verwirklichen können, und die dritten sind die Bordell-Betreiber, die in Villach ständig unter rigiden Maßnahmen des Bürgermeisters zu leiden haben.

Der Redakteur hört sich um und schreibt. In Villach ist offensichtlich immer Fasching, weil zu wenig Spaßbremsen in der Politik sitzen. So ist oft nicht klar, was jetzt ein Witz ist und was ein Kompliment. Einer besorgt sich beispielsweise schwarze Kondome, um der Bürgermeisterswitwe zu kondolieren. An anderer Stelle segnet der Pfarrer ein Bordell mit passenden Bibelzitaten, lasset die kleinen zu mir kommen, was als kleine Genitalien gedeutet wird. Ständig lüpfen Girls die Beine und deuten an, dass dazwischen Geschäfte zu machen sind. Überhaupt ist Villach ein Faschingsstall, in dem die Erotik jeden Tag die Sau herauslässt.

Ernesto entspannt sich zwischendurch bei seiner Freundin, die eine Bio-Schafzucht führt. Im Geschlecke und Geblöke der Schafszungen taucht dann auch die Lösung auf, die aus „kriminal-semiotischen“ Gründen hier nicht erzählt werden darf.

Wilhelm Kuehs erzählt intelligent, doppelbödig und augenzwinkernd von diesem wilden Kärnten, bei dem alle nicht mit dem Lachen fertig werden. Sein Krimi sagt wahrscheinlich mehr über den Zustand des Landes aus als jeglicher Bankenstresstest am Wörthersee.

Wilhelm Kuehs, Wer zuletzt lacht. Ein Kärnten-Krimi
Innsbruck: Haymon Verlag 2016, (= TB 197), 335 Seiten, 12,95 €, ISBN 978-3-7099-7824-5

 

Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Wilhelm Kuehs, Wer zuletzt lacht
Wikipedia: Wilhelm Kuehs

 

Helmuth Schönauer, 30-07-2016

Bibliographie

AutorIn

Wilhelm Kuehs

Buchtitel

Wer zuletzt lacht. Ein Kärnten-Krimi

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Haymon Verlag

Reihe

TB 197

Seitenzahl

335

Preis in EUR

12,95

ISBN

978-3-7099-7824-5

Kurzbiographie AutorIn

Wilhelm Kuehs, geb. 1975 in Wolfsberg, lebt in Völkermarkt.