Angelika Reitzer, Taghelle Gegend

Buch-CoverEs gibt wirklich diese lichten Romane, die vom Titel weg bis zur letzten Zeile etwas Speedig-Helles ausstrahlen.

In Angelika Reitzers Roman wird es schon auf der ersten Seite in einem Innenhof hell, die Bäume sind zwar für diese Saison am Ende der Blüte, aber zu ihren Füssen steht in einer Sandkiste bereits das Spielzeug bereit, um bei Bedarf jederzeit ein Stück Kindheit in den Sand zu spielen. Und diese Kindheit kann überall aus der Hüfte heraus einsetzen und bringt die Protagonistin in eine optimistische Stimmung.

Der Roman schiebt seinen Inhalt mit fröhlicher Peristaltik durch den Schacht der Erinnerung. Da gibt es ganz kurze Sequenzen, die fast schon zu einem lyrischen Andachtsbild komprimiert sind, und längere Erlebnisläufe, die trotz aller Üppigkeit immer kontrolliert in den vorgesehenen Bahnen bleiben.

Maria geht nach dem Prinzip „Ria“ vor, wie sie in ihrer Kindheit oft genannt wurde, Ria heißt hier soviel wie easy.

Freiheit und leben ohne Auftrag also! (86)

Der Roman ist durchflutet von Trennungen und Begegnungen, es macht keinen Unterschied, ob eine Beziehung am Anfang oder am Ende ist, Hauptsache, die Beteiligten ziehen einander nicht in ein depressives Loch. Einmal wird Maria von einem Berufskraftfahrer mitgenommen, als er seine Ruhepause einhalten muss, pocht er auf seine Lust auf Sex, aber die Maria ist kein leichtes Mädchen, sie nimmt nur alles leicht. Fast selbstverständlich sagt sie nein, woraufhin sich der abgewiesene Mann zu dem traurigen Satz hinreißen lässt: "Sie haben ja noch ihr ganzes Leben vor sich." (53) Ja eben, und für den Mann war es vielleicht die letzte Chance noch einmal einen Hauch von Sex zu kriegen.

Zwischendurch ist Maria als Schneiderin für Theaterkostüme tätig, dabei erschneidert sie sich ganze Rollen, mit jeder Naht hüft sie in das Innere der jeweiligen Figur und gibt ihr Konturen. Natürlich ist sie zwischendurch Feuer und Flamme für den Regisseur Flammer, der dann Radiomoderator wird. Oft schreibt sie ihm Briefe, die dann als Bumerang zurückkommen (97). So lässt sich zwischen dem Fortschleudern der Gedanken und ihrer Rückkehr an den Absender gut vermessen, wie sich die Beziehung verändert hat.

Scheinbar aus heiterem Himmel huschen dann taghelle Flocken aus der Kindheit über das Erinnerungsfirmament. Der frisch geborene Bruder etwa kommt im Winter mit dem Schneepflug, man sieht die Gummistiefel der Mutter, wie sie den Hof betreten, aus der Fahrerkabine wird ein Bündel herausgehoben, so betreten gute Menschen diese Welt. Andererseits stirbt die Großmutter so unterhaltsam, dass sie die ganze Familie aus dem Häuschen bringt. Die Trauernden schreien sich gegenseitig an und machen einander sinnlose Vorhaltungen, dass die Großmutter zur Unzeit gestorben ist, wo niemand Zeit hat für so etwas.

Angelika Reitzers Thema ist frech, nämlich die Gegend mit sonnigem Gemüt auszuleuchten, die Erzählweise ist angenehm, man kann als Leser kurz einmal aus dem Text hinausgehen und dieser wartet wohlerzogen, bis man wieder weiter liest. So also schaut ein moderner Roman aus, der wie einst ‚Aus dem Leben eines Taugenichts’ das Romantische so ungewöhnlich erzählt, dass es völlig normal wirkt.

Angelika Reitzer, Taghelle Gegend. Roman.
Innsbruck: Haymon 2007. 171 Seiten. EUR 17,90. ISBN 978-3-85218-523-1.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Angelika Reitzer, Taghelle Gegend
AngelikaExpress: Homepage Angelika Reitzer

 

Helmuth Schönauer, 06-04-2007

Bibliographie

AutorIn

Angelika Reitzer

Buchtitel

Taghelle Gegend

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Haymon

Seitenzahl

171

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-85218-523-1

Kurzbiographie AutorIn

Angelika Reitzer, geb. 1971 in Graz, lebt in Wien.