Rudolf Lasselsberger, Willi auf Kur

Buch-CoverIn der klassischen österreichischen Literatur tauchen in Kurorten meist angesoffene Kurärzte auf, die sich schwermütig durch die Geographie jammern und im Morgengrauen bei einem Duell abknallen lassen.

Nicht so in Rudolf Lasselsbergers Bericht ‚Willi auf Kur‘, der das Zeug hat, zu einem literarischen Meilenstein der Kurgeschichte zu werden.

Ein Bericht mit Handschrift verfasst, ist so ziemlich das Authentischste was es in der Literatur gibt. Tatsächlich ist der Kurbericht mit Handschrift aufgekritzelt, wobei das Schreiben dieses Berichtes bereits ein wesentliches Stück der Erzählung ist.

Der Verlag ‚Das fröhliche Wohnzimmer‘ will nämlich genau achtzig Seiten, und eine Geschichte punktgenau hinzutrimmen ist Kunst. Der Schreiber sitzt also regelmäßig im Café Eiles und schreibt, verschreibt sich naturgemäß, und bastelt so aus dem Schreibvorgang im Café, dem Bericht von Willi und den Spielregeln des Literaturbetriebes eine Art Handbuch über einen Kuraufenthalt.

Willi fügt sich wie ein gelähmtes Tier in den Kurbetrieb ein, die Ordnung und das Regelmaß des Tagesablaufs sind beinahe schon beängstigend. Zu seinem Lieblingswort wird ‚bissi‘, ein bisschen. Bissi Blutdruck schauen, bissi Moorbad, bissi Spazierengehen, bissi Übergewicht, bissi Abnehmen, bissi Regen, nein eigentlich regnet es während der ganzen Kur durch.

Das feine Rauschen des Regens. Im Bett liegen und zuhören. Zeit haben und sein. Schritt für Schritt, ganz einfach jetzt. (26)

Der Gesprächsstoff explodiert während dieser Tage geradezu, ein paar Schlagzeilen aus österreichischen Tageszeitungen können einen ganzen Tag retten, wahrscheinlich werden die österreichischen Tageszeitungen ohnehin bloß für Kurgäste so schlicht und aufregend geschrieben. Blaskonzerte und geführte Wanderungen geben der Woche wirklich eine Struktur, zumal man zwischendurch immer wieder ein bissi büseln kann, ein bißchen dösen eben.

Selbst die beste Kur geht ab und zu zu Ende, für Willi heißt das, dass er immer öfter an die Post denkt, er ist nämlich Sortierer im Schichtbetrieb. Das Übergewicht schmilzt in die Nähe der Hundertkilogrenze ab, wird aber naturgemäß nicht zweistellig.

Mit dem Platz im Heft geht es sich gut aus, manchmal klebt der Schreiber die Rechnungen im Café Eiles auf eine Seite, dann ist sie voll. Ein bißchen Sorge in der finanziellen Planung der Schreibaufenthalte löst der Lieblingskellner aus, denn obwohl die eiserne Regel lautet, nie mehr als einen Euro Trinkgeld zu geben, rutscht dem Schreiber immer die Fügung ‚Passt schon‘ heraus, was natürlich ins Geld geht.

Rudolf Lasselsbergers Kurroman ist eine feinsinnige Studie der österreichischen Seele, denn ganz Österreich ist letztlich ein Kurbetrieb, in dem es aufregend geregelt zugeht. Und das alles in einem feinen Schulheft zusammengeschrieben, da kann man Österreich nur lieben, auch wenn eine Kur natürlich auch kleine Hänger hat und Rückschläge bringt.

Aber vielleicht gibt es einmal eine wohlwollende Prüfungskommission, der man als Leser wohl vorbereitet durch dieses Lehrheft erzählen kann, wie es wirklich ist. Obwohl so viele auf Kur sind, haben nämlich die wenigsten eine echte Ahnung davon.

Rudolf Lasselsberger, Willi auf Kur. Ein Bericht.
Wien: Das Fröhliche Wohnzimmer 2007. 84 Seiten. EUR 10,50. ISBN 978-3-900956-85-1.

 

Weiterführende Links:
Edition-Das Fröhliche Wohnzimmer: Rudolf Lasselsberger, Willi auf Kur

 

Helmuth Schönauer, 10-04-2007

Bibliographie

AutorIn

Rudolf Lasselsberger

Buchtitel

Willi auf Kur

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Das Fröhliche Wohnzimmer

Seitenzahl

84

Preis in EUR

10,50

ISBN

978-3-900956-85-1

Kurzbiographie AutorIn

Rudolf Lasselsberger, geb. 1956 in Schlatten 8, lebt in St. Leonhard am Forst und in Wien.