Robert Menasse, Don Juan de la Mancha

Buch-CoverDie wichtigsten Erlebnisse eines durchschnittlichen Menschenlebens sind seit erdenklichen Zeiten die reife Erotik und die edle Sinnlosigkeit. Für die Erotik ist Don Juan zuständig und für den Ritt in die Turbine einer Windmühle Don Quixote de la Mancha.

Robert Menasse hat für sein Heldenepos eines Beinahe-68ers die beiden Dons elegant zusammengemischt. Im Mittelpunkt dieser modernen Durchschnittsbiographie steht Nathan, der in einem Hochglanzmedium für die allgemeingültige Sparte "Leben" zuständig ist. Schon von der ersten Seite an ist Nathan an der Sexualität gereift, er erwartet sich nichts mehr und erklärt sich selbst und den Lesern recht süffisant, wie das so zwischen Männern und Frauen funktioniert.

Anhand der Erotik kommen die diversen Zeitgeistschichten zutage. Das wilde Vögeln der Studenten, der verklemmte Ministrantensex in der Kreisky-Ära, die schöpfungswilde Naturhingabe durch die Ökos und die edelverbrämte Emanzipationsschickeria ziehen episodenhaft am Helden vorbei, der immer wieder zu einem Exkurs ansetzt, diesen aber selten mit seinem eigenen Leben in Verbindung bringen kann. Oft genügt schon die Ankündigung eines Exkurses, um die Lage restlos zu klären.

Der Held geht alle seine Stationen seiner Liebschaften durch, die entscheidende Frage ist immer, ob die Lust größer ist als der durchgeführte Sex. Auch sonst kommen allerhand alltagsphilosophische Probleme zur Sprache, die im Laufe einer erotischen Saison anfallen. Hat die Frau nun mehr vom Sex als der Mann? - Und auch die Lösungen in Gestalt witziger Gespräche sind nicht ohne, man nehme den Finger in einer Faust und drücke beides zusammen, was schmerzt mehr, überlegt eine liebeserfahrene Protagonistin.

Wie man ein Magazin durchblättert, halb gelangweilt, halb aus Mangel an Alternativen, blättert Nathan sein Leben auf und durch. Dabei gibt es Stellen voller Melancholie, etwa wenn sich der junge Student in einer Kellerwohnung einquartiert und von unten aus die Stadt mit ihren eiligen Wadeln beobachtet, es gibt diese Sequenzen aus Vorabendserien, wo einfach einmal geheiratet wird, damit etwas weiß in den Kostümwald kommt, und gegen Ende beschäftigt sich ein Kapitel nur mit dem mechanischen Ablauf einer Beziehung, erstes Jahr bis letztes Jahr, die Mechanisierung des Verhältnisses läuft dabei wie geschmiert.

Don Juan de la Mancha entwickelt sich während des Romans zu einem abgeklärten Sexualanwender, den nichts mehr erschüttert.

Robert Menasse lässt seinen Helden reifen und schmackhaft alt werden, ohne dass er dabei alt aussieht. Kontemplation auf Hochglanz, völlige Gelassenheit und Selbstironie, Erotik in schön austarierten Wellenschlägen, so schauen Helden der Gegenwart aus.

Robert Menasse, Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust. Roman
Frankfurt/M: Suhrkamp 2007. 273 Seiten. EUR 18,80. ISBN 978-3-518-41910-6.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Robert Menasse
Suhrkamp-Verlag: Robert Menasse, Don Juan de la Mancha

 

Helmuth Schönauer, 23-10-2007

Bibliographie

AutorIn

Robert Menasse

Buchtitel

Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust

Erscheinungsort

Frankfurt a. M.

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Suhrkamp

Seitenzahl

273

Preis in EUR

18,80

ISBN

978-3-518-41910-6

Kurzbiographie AutorIn

Robert Menasse, geb. 1954 in Wien, lebt in Wien und Amsterdam.