Gustav Ernst, Helden der Kunst, Helden der Liebe

Buch-CoverWas machen österreichische Schriftsteller, wenn sie nicht gerade dichten? - Sie fahren tagelang von einem Lesungsort zum andern und ziehen jeden Abend über ihre Kolleginnen und Kollegen her.

Ein Ich-Erzähler und sein Schriftstellerkollege Luc sind auf dem Weg nach Frankfurt. Die Welt ist nirgends so realistisch wie auf der Autobahn, zwischen Rasern, Dränglern und Rechtsüberholern liegen oft hunderte Kilometer purer Ereignislosigkeit.

Kein Wunder also, dass die Helden der Kunst immer wieder zu Helden der Autobahn werden und zumindest in ihren Flüchen der Realität zu entsprechen versuchen.

Eine Überlandreise ist letztlich lang gezogen wie ein Roman, weshalb die Helden ab und zu in Schweigen, Trivialität und die sogenannte gedehnte Gegenwart flüchten. Der Stoff der Gespräche ergibt sich wie von selbst, entweder zeigt sich das Land von einer bemerkenswerten Auffälligkeit, oder es stellen sich Hunger, Durst oder Harndrang ein, so dass immer für eine gewisse Dynamik gesorgt ist.

In diesen Fahrstrom der Ereignislosigkeit sind Sequenzen des österreichischen Literaturbetriebs eingebaut.

Im Cafe Prückel, Hummel, Ritter, Bräuerhof, Museum oder Alt Wien versammelt sich zu jeder Tageszeit eine sogenannte literarische Gesellschaft und kommentiert das literarische Geschehen. Da wird geschummelt und gelogen, der Neid spritzt aus den Sehschlitzen, lauter Versager heimsen Preise ein und liefern dabei die mieseste Literatur der Weltgeschichte ab.

Ich lese Literatur doch nicht, um etwas zu wissen, sagt Vera, sondern um Fähigkeiten auszubilden. (129)

Ein anderer Schriftsteller getraut sich während des Schreibens in der Nacht nicht die Klospülung zu ziehen, um seine Partnerin nicht zu wecken, so kostet ihn jedes Buch ein Vermögen an WC-Urinsteinentferner.

Die Figuren sind teils überaus fade, sozial angeschlagene Typen, andererseits entwickeln sie alle mit der Zeit einen Tick, der sie unverwechselbar macht.

Gustav Ernst lässt im Roman die Figuren mit den berühmten Formeln "sagt er, sagt sie" auf einander treffen, denn oft ist dieses "sagt" die einzige Information, die während der Entleerung des Protagonisten nach außen strömt.

Selbstverständlich geht es ununterbrochen um Kunst oder Liebe, selten um Realität oder Leben. Gustav Ernsts Roman ist eine sagenhaft skurril angelegte Expedition in die Hinterteile und Weichteile des österreichischen Literaturbetriebes. Dementsprechend barock und staatstragend wuseln die Helden der Kunst und die Helden der Liebe durch jenes muffige und vermiefte Ambiente, das sich zwischendurch als das pure Österreich herausstellt.

Gustav Ernst, Helden der Kunst, Helden der Liebe. Roman.
Wien: Sonderzahl 2008. 165 Seiten. EUR 16,-. ISBN 978-3-85449-299-3.

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Gustav Ernst
Sonderzahl-Verlag: Gustav Ernst, Helden der Kunst, Helden der Liebe

 

Helmuth Schönauer, 09-09-2008

Bibliographie

AutorIn

Gustav Ernst

Buchtitel

Helden der Kunst, Helden der Liebe

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Sonderzahl

Seitenzahl

165

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-85449-299-3

Kurzbiographie AutorIn

Gustav Ernst, geb. 1944 in Wien, lebt in Wien.