Klaus F. Schneider, Umgehung der Anhaltspunkte

Buch-Cover"es war ein tag so wie zum sterben schön / und noch einmal so warm. (15) Üblicherweise sind Gedichte dazu da, Halt zu geben in einer prosaisch eingeebneten Welt voller Logik und Erklärungen.

Klaus F. Schneider hingegen nennt seine Lyrik-Sammlung "Umgehung der Anhaltspunkte", also alles, was ein Fixpunkt in der Landschaft, eine Boje der Erkenntnis oder ein Vermessungspunkt in der Ebene des Lebens sein könnte, wird vorsichtshalber umgangen.

in strandabschnitt nicht größer / als ein stück papier // schwemmland / oder treibgutmuseum // private wirklichkeitssammlung / vielleicht / das venedig des kopfes // zeile um zeile / abgelagertes / ich (14)

Die Gedichte umschlingen meist Privates und Öffentliches, oszillieren zwischen Kopf und Bauch und die einzelnen Zeilen lösen sich gar auf in jenem Schlick-Land zwischen flüssig und fest. Dabei kann man selten von Zeilen sprechen, denn die lyrischen Partikel sind oft frei positioniert wie Treibgut, lose aufgefädelt klumpen die Begriffe im semantischen Wind.

Von einer gewissen Entfernung aus betrachtet wirken die Texte wie das Gerüst eines Fachwerkhauses, und tatsächlich liefert Klaus F. Schneider mit seinen Gedichten nur den notdürftigsten Frame, in welchen der Leser dann seine subjektiven Empfindungen einzumörteln hat.

Auch der Schriftsatz vermeidet alles, was fix oder gar gedruckt aussehen könnte, die Seiten wirken wie zusammengeklebte Typoskripte vor dem Umbruch, man ist als Leser eingeladen, die Zeilen umzustellen, vielleicht auch einmal ein Gedicht von unten nach oben zu lesen.

Dabei gibt es manchmal auch freche Empfehlungen, wie man Lyrik lesen könnte:

texte sind wie taxis. / texte sind wie taxis die dich unterwegs aufgabeln / oder an dir vorbeirauschen. / texte sind auch wie kino. / oder klo. // aber darauf wärst du bestimmt / von allein gekommen (28).

In seinem Nachwort eröffnet Josè F. A. Oliver ein paar Möglichkeiten, wie man diese anhaltslosen Texte lesen könnte.

Schneider, als sei er den überlegten Strategien eines Schachspielers vor dem entscheidenden Zug gefolgt, lädt dazu ein, innerhalb vieler seiner Strophen immer auch mehrfach gelesen zu werden. Er ist dabei in seinen Bildern ein Fühlender von anarchistisch einströmendem Frühling oder etwas später im Jahr, ein Sommer, der sich - in ihm selbst Raum geworden - ankündigt und Baum und Schattenmilde aufsuchen lässt. (39)

Klaus F. Schneider: Umgehung der Anhaltspunkte. Gedichte. Mit einem Nachwort von Josè F. A. Oliver.
Innsbruck: Kyrene 2008. 40 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-900009-39-7.

 

Weiterführende Links:
Kyrene-Verlag
Homepage: Klaus F. Schneider

 

Helmuth Schönauer, 01-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Klaus F. Schneider

Buchtitel

Umgehung der Anhaltspunkte. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

40

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-900009-39-7

Kurzbiographie AutorIn

Klaus F. Schneider, geb. 1958 in Mediasch, Siebenbürgen, lebt seit 1987 in Stuttgart.