Anton Szanya, Der Traum des Josef Scheicher

Buch-CoverBörsenkrach, Wirtschaftskrise, Spannungen in einem Vielvölkerstaat, Spannungen zwischen Gesellschaft und Kirche, das Postulieren von Sündenböcken: Vieles scheint sich im Laufe der Geschichte zu wiederholen.

Anton Szanyas Buch über Staatsmodelle in Österreich zur Jahrhundertwende hält immer auch den Blick in die Gegenwart wach.

Der Historiker Anton Szanya hat sich in seinem Buch "Der Traum des Josef Scheicher" intensiv mit Staatsmodellen in Österreich zwischen 1880 - 1900 auseinander gesetzt und dabei spannendes Material zutage gefördert. Als Ausgangspunkt der Gesellschaftsentwürfe in der ausgehenden Habsburger-Monarchie schildert er einen zunehmend aus den Fugen geratenen Vielvölkerstaat, der sich aus zwei fast unabhängigen, nur mehr durch die Monarchie verbundenen Staaten zusammensetzt.

Szanya lässt eine Zeit wieder erstehen, in der zahlreiche deutschsprachige Österreicher mit Wehmut über die Grenze in das neu gegründete, erstarkte Deutsche Reich blicken, von dem sie sich ausgeschlossen fühlen, während sie gleichzeitig in der k.u.k. Monarchie um ihre angestammten Vorrechte fürchteten. Darwins Evolutionstheorie, vor allem durch die populärwissenschaftliche Aufbereitung seiner Theorien, findet zunehmend Verbreitung und ruft Anhänger aber auch Gegenbewegungen auf den Plan.

In Österreich findet die Auseinandersetzung um den Einfluss von Kirche und Religion im Staat in der Auflösung des Konkordats seinen vorläufigen Höhepunkt. In dieser angespannten gesellschaftspolitischen Situation kommt es 1873 zum ersten großen Börsenkrach, der eine tiefe Wirtschaftsrezession zur Folge hatte. Begleitet wurde das politische Denken dieser Zeit von einem weit verbreiteten und latenten Antisemitismus, der den Juden für alle persönlichen, politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Schuld übertrug.

Zu den ausgewählten politischen Schriften gehören die national-ökonomische Studie "Die Noth und ihre Ursachen" aus dem Jahr 1880 von Wenzel Schober. Dieser spricht sich ausgehend von den Erfahrungen des großen Börsenkrachs für eine neue Geldpolitik aus, die das Horten von Geld, mit seiner Zinspolitik ablehnt. Um allen Menschen ihre Existenzsicherung zu garantieren, propagiert er eine staatlich gelenkte Wirtschaft.

Georg von Schönerer träumt von einem Großdeutschland und einem Nationalen Sozialismus. Eine weitere Schrift, mit der sich Szanya näher auseinander beschäftigt, ist die Enzyklika "Rerum Novarum" Papst Leos XIII., die einen wichtigen Einfluss auf die christlich-soziale Bewegung Österreichs unter Karl Lueger hatte. Dessen Gefolgsmann Josef Scheicher verfasste schließlich das staatsutopische Werk "Aus dem Jahr 1920". Ein Traum, in dem er schildert, wie sich Österreich bis zum Jahr 1920 zu einer idealen Gesellschaft entwickelt hat.

Anton Szanya ist es wieder gelungen, ein überaus spannendes und lesenswertes Buch zur jüngeren österreichischen Geschichte zu verfassen. Dabei merkt man dem Historiker und ehemaligen Direktor der Volkshochschule Rudolfsheim in Wien seine Herkunft in jedem Bereich des Textes an. Szanya lässt gekonnte die Quellen selbst zu Wort kommen und es gelingt ihm, einen unmittelbaren Eindruck vom politischen Denken engagierter Autoren des ausgehenden 19. Jahrhunderts, von ihren Licht und Schattenseiten zu vermitteln.

Anton Szanya, Der Traum des Josef Scheicher. Staatsmodelle in Österreich 1880-1900
Innsbruck: Studienverlag 2009, 256 Seiten, 29,90 EUR, ISBN: 978-3-7065-4424-5

 

Weiterführende Links:
Studien-Verlag: Anton Szanya, Der Traum des Josef Scheicher

 

Andreas Markt-Huter, 20-03-2009

Bibliographie

AutorIn

Anton Szanya

Buchtitel

Der Traum des Josef Scheicher. Staatsmodelle in Österreich 1880-1900

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Studienverlag

Seitenzahl

256

Preis in EUR

29,90

ISBN

978-3-7065-4424-5

Kurzbiographie AutorIn

Anton Szanya, Historiker und lange Zeit Direktor der Volkshochschule Rudolfsheim-Fünfhaus in Wien, 2000-2007 Mitarbeiter des Österreichischen Volkshochschularchivs. Rund 150 Publikationen zu Themen der Erwachsenenbildung, Geschichte und Politischen Bildung. Verschiedene Preise und Auszeichnungen.