Cornelius Hell, Der eiserne Wolf im barocken Labyrinth Erwachendes Vilnius

Buch-CoverDie Liebe zu einer Stadt entsteht wie bei jeder Liebe zufällig. Als in den 1980er Jahren der Autor Cornelius Hell eine Stelle als Lektor irgendwo im Ausland sucht, wird ihm eine Stelle in Vilnius angeboten. Seither ist es die Stadt seines Lebens geworden.

Anhand seiner eigenen Begeisterung erzählt Cornelius Hell, was Vilnius alles durchgemacht hat, wie es immer eine faszinierende Stadt geblieben ist und wie es trotz der hohen Selbstmordrate in Litauen als einer der lebendigsten Orte Europas gilt.

Der eiserne Wolf im Barock fügt die beiden wichtigsten Elemente der Stadt zusammen: Die Gründungsgeschichte mit dem Wolf und der Baustil des baltischen Barock machen Vilnius unverwechselbar.

Als der Autor zum ersten Mal in Vilnius eintrifft, herrscht dort tiefste Sowjetunion. Misstrauen, Bespitzelung, öffentliche Kälte und grauenhafte Stadtplanung zwingen die Menschen zum Improvisieren. Jeder ist auf den anderen angewiesen und auch der Erzähler ist bald einmal in dieser getarnten Herzlichkeit verstrickt. Während nach außen hin alles cool und politisch brutal abläuft, überleben die Menschen nach innen gewandt mit feiner Seele.

Der Erzähler hat inzwischen die archaisch anmutende litauische Sprache gelernt und ist zum wichtigsten Übersetzer geworden. Mittlerweile ist Vilnius sauber restauriert, das Labyrinth der Altstadt glänzt voller Dynamik und am Flussufer hat sich sogar einen eigene Künstlerrepublik etabliert. Aus dem KGB-Gefängnis, in dem bis zuletzt gefoltert worden ist, ist ein Museum geworden, für das sich die meisten Gefolterten schämen, weil sie noch immer unter Schock stehen.

Und jener Wald am Stadtrand, in dem zur Hitler- und Stalinzeit ununterbrochen Menschen hingerichtet worden sind, ist nur unter verschämten Bedingungen zu erreichen.

Am Schluss geht der Autor noch auf den Friedhof, auf dem die Hälfte der litauischen Literatur begraben liegt, litauische Autoren leben teilweise recht exzessiv und sterben begnadet früh.

Cornelius Hells Vilnius-Erzählung ist ein Stück Literatur, worin es um die Zuneigung eines aufmerksamen Beobachters zu einer aufmerksamen Stadt geht. Denn dass Vilnius jeden, der sich dieser Stadt zuwendet, mit großer Umarmung empfängt, ist das offene Geheimnis dieser Stadt.

Cornelius Hell, Der eiserne Wolf im barocken Labyrinth. Erwachendes Vilnius.
Wien: Picus 2009. ( = Picus Lesereisen). 132 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-85452-951-4.

 

Weiterführende Links:
Picus-Verlag: Cornelius Hell, Der eiserne Wolf im barocken Labyrinth
Wikipedia: Cornelius Hell

Helmuth Schönauer, 30-04-2009

Bibliographie

AutorIn

Cornelius Hell

Buchtitel

Der eiserne Wolf im barocken Labyrinth Erwachendes Vilnius

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Picus

Seitenzahl

132

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-85452-951-4

Kurzbiographie AutorIn

Cornelius Hell, geb. 1956 in Salzburg, ist Übersetzer, Autor und Literaturkritiker.