Isabella Breier, 101 Käfer in der Schachtel

Buch-CoverEine Liebesgeschichte, die mit Ludwig Wittgenstein loslegt, kann das gut gehen? - Und wie, denn das Verhältnis zwischen Klarheit und Unklarheit lässt sich kaum besser ausdrücken als mit dem Bild Ludwig Wittgensteins, wonach jeder einen anderen Käfer in seiner Schachtel sieht.

Isabella Breier unterlegt den Kosmos von Nähe und Ferne, Liebe und Coolness, Nähe und Distanz mit einem minimalen Plot.

Eine kulturphilosophisch fein ausgebildete Ich-Erzählerin hat ein interkontinentales Verhältnis zu einem Journalisten aus Kaschmir, rund um diesen Kern schwirren noch ein paar Freundinnen und Diskussionspartner herum, und ab und zu schimmert durch, dass sich die Erzählerin um ihr Kind kümmert.

Der beinahe handlungslose Ideen-Roman ist, wie das Käferzitat am Anfang vermuten lasst, in 101 Erzählbausteine zersprengt, jeden dieser Teile kann man letztlich für sich lesen, persönlich in die Hand nehmen und individuell seinem eigenen Erfahrungsschatz als Leser eingliedern. Das Ergebnis wird immer das gleiche sein: jeder sieht in diesen Teilen etwas anderes, obwohl alle den gleichen Text lesen.

Die Diskussion läuft über Kulturgeschichte, Philosophie, Lebenspraxis hin bis zu handfesten Überlegungen, wie schreibe ich eine Nachricht, die im Unsagbaren doch so etwas wie Sinn implementiert.

Die drei großen Überschriften im durchlaufenden Text ergeben eine vage Gliederung. "Käfer in der Schachtel" zeigt die Unmöglichkeit, eine Geschichte stringent zu erzählen. "Zwei Personen, sagen wir, zwei Wahrnehmungsmodalitäten." (48)

Das mittlere Kapitel nennt sich "Die Welt davor", dahinter steckt die Idee, dass man durchaus zuerst einmal eine Idee entwickeln könnte und anschließend lässt sich wie bei einer Bühne vielleicht die Welt wie eine Kulisse davor schieben.

Ich lese mich ein Stückchen sein Leben entlang, bilde ich mir ein, umkreise ihn mit der Welt, die ihn umgibt, schaffe Koordinationsachsen, einen Raum, in dem es gilt, ihn zu verstehen. (144)

"Denken ohne Grund" ist das dritte Kapitel überschrieben, darin deckt sich die Beiläufigkeit der Gedanken mit der Beiläufigkeit einer Beziehung.

Nehmen wir an, eine Liebesgeschichte erzählt sich beiläufig selbst, die Käfer kriechen aus ihren oder meinetwegen unseren Löchern, tatsächlich, da krabbeln sie, was für ein Gewühle [...] (263)

Isabella Breier stellt mit ihrer "Käfersammlung" einen dichten, leidenschaftlichen, philosophisch fein ausgeloteten Roman auf die Füße, der vergessen macht, dass es in der Liebe manchmal trivial und alltäglich zugeht. Hier entwickelt sich vor den Augen des Lesers eine Lebenslust, die durchaus zu haptischen Aufgriffen fähig ist, sich aber über lange Passagen an die Leidenschaft hält, welche entsteht, wenn man den Gedanken freien Lauf lässt.

Isabella Breier, 101 Käfer in der Schachtel. Ihr Verschwinden in Bildern. Eine fragmentarische Liebesgeschichte. Käfer in der Schachtel, Welt davor, Denken ohne Grund.
Klagenfurt: Kitab 2007. 264 Seiten. EUR 17,50. ISBN 978-3-902585-00-4.

 

Weiterführende Links:
Kitab-Verlag: Isabella Breier, 101 Käfer in der Schachtel
LiteraturPort: Isabella Breier

 

Helmuth Schönauer, 29-06-2009

Bibliographie

AutorIn

Isabella Breier

Buchtitel

101 Käfer in der Schachtel. Ihr Verschwinden in Bildern. Eine fragmentarische Liebesgeschichte

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Kitab

Seitenzahl

264

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-902585-00-4

Kurzbiographie AutorIn

Isabella Breier, geb. 1976 in Gmünd / NÖ, lebt in Wien.