Jan Kossdorff, Sunnyboys

Buch-CoverEin Roman kann an manchen Tagen wie eine Zauberformel wirken. Der mieseste Alltag, die gewöhnlichste Trivialität, die flachsten Gedankengänge - alles kann plötzlich zu einem Abenteuer werden, wenn sich ein Roman dieser Dinge annimmt.

Jan Kossdorff verzaubert mit seinem Roman gewöhnliche Figuren und lässt sie als echte Sunnyboys auftreten. Die Brüder Clemens und Claudio Kommenda sind nicht nur sonnige Typen, sie führen auch das passende Sonnenstudio dazu.

Auch die übrigen Figuren sind ausgesprochen normal bis bieder, zumindest auf den ersten Blick. So scheint eine Volksschullehrerin die ideale Partnerin für einen Sunnyboy zu sein, aber gerade das Gewöhnliche artet oft ins Zickige aus.

Der bürgerlich niedergebügelte Schrecken beginnt, als der Ich-Erzähler Clemens nebenberuflich als Detektiv zu arbeiten beginnt. Schon einer der ersten Einsätze öffnet ihm die Augen. Seine Eltern nämlich sind zu Sexabenteuern verabredet und toben sich in entlegenen Villen ordentlich aus.

Auch sein Bruder Claudio ist nicht nur der brave Sonnen-Kooperator, der den Kunden fallweise die Höhensonne justiert, er hat längst ein zweites Lokal im Auge und will sich selbständig machen.

Zwischendurch werden die Aufträge immer skurriler, ein Fußball-Fürst geht im Ruhestand seltsamen Geschäften nach und es ist besser, wenn man nicht alles weiß. Und verlässlich kommen beim sporadischen Privatdetektiv die Hormone zum Schuss, so dass sich quasi eine flüchtige Affäre an die andere fügt.

Um dem trivialen Leben immer wieder eines auszuwischen, hält sich der Ich-Erzähler an die sogenannte "Regel":

Vor einiger Zeit habe ich nämlich bemerkt, dass es mir immer schwerer fällt, für gewisse Dinge Begeisterung aufzubringen und generell meinen Hintern hochzukriegen. Deswegen habe ich eine Regel entwickelt, die der äußeren und inneren Erstarrung vorbeugen soll: Mach jeden Tag etwas, das du noch nie gemacht hast. (28)

Nach dieser Regel läuft auch der Roman ab. Ständig ist etwas Neues los, die Dinge geschehen zufällig und zusammenhanglos. Die Erlebnisse werden in einem Warenkorb zusammengetragen, aber es ist keine Kassa in Sicht, damit man sie erwerben könnte. Die Figuren erfüllen ihre Aufgabe, die Gegenwart über die Runden zu bringen, mehr ist von ihnen nicht zu erwarten.

Jan Kossdorffs Roman ist bei genauerer Betrachtung ein perfektes Sittenbild einer urbanen, politisch semi-aufgeklärten Gesellschaft am Ende der sogenannten "Nuller-Jahre". Der Roman liest sich geschmeidig und rinnt wie ein Sonderangebot die Lesekehle hinunter. Aber gerade das ist die heimtückische Botschaft: Das Leben ist vielleicht nichts anderes als ein rasches Versickern von Erlebnissen in einem diffusen Untergrund. Letztlich sind die Sunnyboys unangreifbare Helden einer Flachbildschirm-Zeit.

Jan Kossdorff, Sunnyboys. Roman
Wien: Milena 2009. 380 Seiten. EUR 18,90. ISBN 978-3-85286-176-0.

 

Weiterführende Links:
Milena-Verlag: Jan Kossdorff, Sunnyboys
Homepage: Jan Kossdorff

 

Helmuth Schönauer, 01-07-2009

Bibliographie

AutorIn

Jan Kossdorff

Buchtitel

Sunnyboys

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Milena

Seitenzahl

380

Preis in EUR

18,90

ISBN

978-3-85286-176-0

Kurzbiographie AutorIn

Jan Kossdorff, geb. 1974, ist Internet-Manager und Texter.