Norbert Loacker, Der Zufällige

Buch-CoverWahrscheinlich gibt es keine spontanere Lebensform als jene, welche permanent dem Zufall gehorcht.

Norbert Loacker schickt seinen Helden als Zufallsmenschen durch den Alltag. Morf ist nicht nur selbst ein zufällig herumschwirrender Mensch, seine größte Leistung besteht darin, dass er aus dem Zufall heraus sein Kind zeugt.

Noch selten in der Literaturgeschichte ist ein technisch perfekter Geschlechtsverkehr so ruhig und unspektakulär über die Bühne gegangen wie jener von Morf. Bei einem Dorffest kommt eine junge Dame auf ihn zu, schnappt ihn sich und wird noch zur selben Stunde schwanger.

In einer Gesellschaft, in der alles genau geplant wird, sind offensichtlich alle froh, dass es noch etwas Zufälliges gibt. Die biologische Familiengründung bleibt der letzte kreative Akt, denn ab jetzt geht alles durchgeplant seinen Weg. Heirat, Aufstieg in der Firma, Lebenssinn in gut handhabbaren Dosen.

Allmählich wird der Zufällige ungeduldig, denn er will noch etwas erleben. So legt er sich mit Wissen seiner Frau Rita eine Geliebte namens Tanja zu, aber der große Glückstaumel will sich dennoch nicht einstellen.

Umschifft wird das kühle Liebesleben des Zufälligen von Schiffsfahrten in der Adria und der Ägäis. Morf lümmelt durch die Stockwerke des Fährschiffes und überlegt immer wieder, wo er gerade geographisch umgeht. Ab und zu geht er an Land und lässt das Leben wie zufällige Poesie einwirken. Manchmal tauchen Erinnerungen auf, wie er früher einmal mit seiner Frau verreist ist, später mit der Geliebten.

Stimmungsvolles Dodona, Morf tagträumend, er würde wahrscheinlich die leeren Eichen, kein Taubengurren mehr, kein Kupferklimpern, sehr gezielt danach befragen, wie er heimkehren soll. "Ihr Hochgewipfelten!" Oder, in diesem Punkt noch unsicherer als der Heimkehrer von Troja, ob überhaupt. Tanjas Hand würde sich hinter sein Ohr schmiegen, und er, Morf, arg zerredet, würde hören. Hören. (23/24)

Norbert Loacker hat mit dem "Zufälligen" einen Typen auf die Beine gestellt, der geradezu atemberaubend authentisch eine ganze Epoche vertritt. Zwischen Fatalismus, Trägheit und Torschlusspanik laviert Morf durch seine eigene Biographie. Einerseits ist er ganz versessen darauf, etwas Deftiges zu erleben, andererseits ist es oft lebenserweiternd, wenn man einfach nimmt, was kommt. So reist der Zufällige letztlich mit sich selbst durch entlegene Gegenden des Mittelmeeres und nimmt wie eine Kamera auf, was gerade zum Knipsen ansteht. Am Schluss geht sogar das Licht in Leere über. (110)

Norbert Loacker, Der Zufällige. Roman.
Hohenems: Limbus 2009. 109 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-902534-31-6.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Norbert Loacker, Der Zufällige
Wikipedia: Norbert Loacker

 

Helmuth Schönauer, 14-12-2009

Bibliographie

AutorIn

Norbert Loacker

Buchtitel

Der Zufällige

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Limbus

Seitenzahl

109

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902534-31-6

Kurzbiographie AutorIn

Norbert Loacker, geb. 1939 in Altach, lebt in Kaltenbach/Schweiz.