Bernhard Strobel, Nichts, nichts

Buch-CoverManchmal ist der Alltag so aufregend, dass man ihn weder aktiv noch passiv hinkriegt. Eine typische Reaktion für eine überschwappende Ereignislosigkeit ist auf die Frage, was los sei, das alles erklärende "Nichts, nichts".

In Bernhard Strobels Erzählungen erklären einander die Figuren oft dieses Nichts, es sind gewöhnliche Heldinnen und Helden, manchmal schon etwas seniorenhaft am Leben ausgeeitert, aber ihr Schlachtfeld bereiten sie sich meist selbst oder mit jenen Resten, die aus früheren Familienbeziehungen übrig geblieben sind.

In der Titelgebenden Erzählung Nichts, nichts dreht ein gewisser Markus nach dem Einkaufen durch, irgendwie explodiert ihm die eigene Wohnung im Kopf und er räumt die Lebensmittel nicht in den Kühlschrank sondern zielt mit ihnen in jene Richtung, in die sie hingehören könnten. Als seine Freundin die Sauerei sieht, flüchtet er. Später wird die Krise mit dem Kurzdialog gemeistert, sind wir nicht alle am Ende? Aber es ist nichts, nichts. (77)

Gerade dieses läppische Nichts verfolgt die Figuren in allen Erzählungen und dabei kann es ganz schön rund gehen. Etwa wenn im ersten Text ein Herr unserer Zeit auftaucht, ein etwas altersgeiler Typ schleicht sich immer ins Klinik-Cafe, um der Erotik zu huldigen. Als es zu einer Annäherung kommen soll, zerstört der Held alles mit seiner Gier. So wild geht es eben gerade nicht zu beim Sex, wie sich das ältere Herren vorstell.

Auch in der zweiten Geschichte winselt ein älterer Herr durch den vorweihnachtlichen Alltag. Er kauft einen Riesen-Baum, um seine Potenz zu beweisen. Gerade als er ihn außer Sichtweite des Händlers geschafft hat, lässt er vom Baum ab, flüchtet in eine Tankstelle, wo er zusammenbricht, eine Friseurin mit Zahnlücken streichelt ihn aus dem Koma, bis die Rettung eintrifft, im Krankenhaus ist sofortige Flucht angesagt, der erbarmungswürdige Held wird überfallen, schleppt sich nach Hause, wo er seine weinende Tochter trifft, die soeben ihren Mann verlassen hat.

In diesen Erzählungen geschieht scheinbar nichts, aber dieses Nichts teilt dann ordentlich in einer rasanten Handlung aus nach dem Motto: Wenn die Trivialität ins Fließen kommt, entsteht durchaus Schmalz der Gefühle.

Ein Stromausfall bringt eine alte Dame zum Durchdrehen, nach einem Familienstreit darf ein Ich-Erzähler so lange trinken, bis er nachts unter einer Parkbank aufwacht, ein Außenseiter in einer Bau-Hütte am Waldesrand macht eine flüchtige Bekanntschaft.

Bernhard Strobel erzählt grandios von Dingen, die sich in der Literatur kaum jemand in den Mund zu nehmen getraut, nämlich vom Wahnsinn der Erfahrungen, die Menschen machen, wenn sie nichts anderes im Kopf haben, als in Ruhe gelassen zu werden. Bernhard Strobel weckt seine schlafenden Helden einzeln, und schmiert ihnen eine süßsaure Geschichte um den Mund. - Wunderbar.

Bernhard Strobel, Nichts, nichts. Erzählungen.
Graz: Droschl 2010. 115 Seiten. EUR 18,-. ISBN 978-3-85420-766-5.

 

Weiterführende Links:
Literaturverlag Droschl: Bernhard Strobel, Nichts, nichts

 

Helmuth Schönauer, 06-02-2010

Bibliographie

AutorIn

Bernhard Strobel

Buchtitel

Nichts, nichts

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Droschl

Seitenzahl

115

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-85420-766-5

Kurzbiographie AutorIn

Bernhard Strobel, geb. 1982 in Wien, lebt in Wien und im Nordburgenland.