Georgi Markov, Das Portrait meines Doppelgängers

Buch-CoverSelten wird ein Autor dafür in der Literaturgeschichte berühmt, wofür er sich hält. Meistens wird ein scheinbar unbedeutendes Werk als das wichtigste eingestuft, oft geht auch ein unbewusster Sager in die Unsterblichkeit ein, manchmal auch ein biographisches Detail.

Georgi Markov ist berühmt geworden für seine Hinrichtung, er wurde 1978 in London vom bulgarischen Geheimdienst in James-Bond-Manier mit einer vergifteten Regenschirmspitze ermordet.

Im "Portrait meines Doppelgängers" geht es um die klassische Spieltheorie, wonach hinter jedem Spiel ein Stück Leben steckt und umgekehrt das Leben als Spiel aufgefasst werden kann. In Markovs Novelle treffen ein paar Pokerspieler zusammen und tricksen sich nach allen Regeln der Kunst aus.

Oft entstehen die kühnsten Gedanken dadurch, dass man seinem Gegner so lange in die Visage schaut, bis man sich darin selbst erkennt.

Begreife, was ich längst begriffen habe: Es ist alles ein Spiel. Spiele es; vergiss aber nicht, dass es ein Spiel ist. Es wird für dich unterhaltsam, interessant sein, und es wird dich zu nichts verpflichten. Und vor allem sollst du dich nicht aufregen! (16)

Einerseits muss man sich in den Gegner hineindenken, andererseits muss man diesen mit geglättetem Face zum Wahnsinn treiben. So ist es kein Wunder, dass allmählich kaum noch ein Unterschied zwischen dem Helden selbst und seinem zum Doppelgänger ausgewuchteten Gegner besteht. Das Pokerspiel gilt als besonders schmutzig, weil es ständig die Spielregeln ändert und geradezu davon lebt, mit Maske, Tarnung und eben dem Pokerface zu arbeiten.

Georgi Markov hat in dieser Novelle aus dem Jahr 1966 versucht, das kommunistische System und die politischen Pokerrunden in den Parteizentralen mit Gelassenheit und Genauigkeit nachzustellen. Der Spiel-Charakter gelingt dabei nur im Vorfeld, denn im Pokerspiel um die Macht geht es an manchen Tagen wirklich um Leben und Tod, wie der Autor anlässlich des Attentates erfahren musste.

Die Novelle des Doppelgängers hat von ihrer zeitlosen Schärfe nichts eingebüßt. In abgezockter Form läuft dieses Spiel heute noch in jeder noch so provinziellen Dorfzentrale ab, heftig unterstützt von dem großen Pokerspiel an der Börse, das letzten Endes aus lauter unantastbaren Doppelgängern und Bad-Bank-Boys besteht.

Auch für den kleinen tagtäglichen Einsatz ist diese Novelle bestens geeignet, sitzen doch in fast allen Büros und Firmen Pokerrunden zusammen die mit dem Leben der Angestellten spielen, mit vollem Pokerface und bei heiklen Situationen elegant gedoubelt.

Georgi Markov, Das Portrait meines Doppelgängers. Novelle. A. d. Bulgar. von Rumina Ebert. Mit einem Nachwort von Svetlozar Igov.
Klagenfurt: Wieser 2010. 95 Seiten. EUR 18,80. ISBN 978-3-85129-862-8.

 

Helmuth Schönauer, 08-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Georgi Markov

Buchtitel

Das Portrait meines Doppelgängers

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Wieser

Übersetzung

Rumina Ebert

Seitenzahl

95

Preis in EUR

18,80

ISBN

978-3-85129-862-8

Kurzbiographie AutorIn

Georgi Markov, geb. 1929 in Sofia, wurde 1978 in London vom Geheimdienst mit einem Regenschirm ermordet.