Silvia Pistotnig, Nachricht von Niemand

Buch-CoverWenn in einer Gesellschaft absolut nichts los ist, außer dass ihre Mitglieder abgekapselt in ihren Bodies hocken und vom generellen Nichts träumen, dann muss folglich auch die Literatur dementsprechend abgekapselt in ihrem Literatur-Body sitzen und vom Nichts träumen.

In Silvia Pistotnigs Roman Nachricht von Niemand laufen die Figuren völlig bedeutungslos und sinnlos durch das eigene Leben. Manchmal gibt es eine Beziehung, dann ein Date, dann wieder einen Verwandtenbesuch, ein Baby kommt zu früh auf die Welt und in der Hauptsache wird gequasselt und dahin gesumpert.

Luise nennt sich zeitgeistig Lu und spült sich durch eine bedeutungslose Zeit, da tauchen in ihrem Mail-Kasten immer öfter seltsame Botschaften von einem K. auf. Während in der Literaturgeschichte der K. bei Kafka seinen Sinn sucht, bietet dieser K. als Mailbotschaft sich selbst als Sinnlosigkeit an. Lus Neugierde ist geweckt, und wie bei allen Mail-Romanen geht es nun darum, wie der Mensch hinter den digitalisierten Sätzen wohl ticken wird.

Dramaturgisch einwandfrei wird diese Dechiffrierung hinausgeschoben und soll hier auch nicht verraten werden. Bis zur Auflösung jedenfalls surrt die Heldin zwischen ihren Bekannten und Verwandten herum, die Protagonisten bekommen dabei jeweils ein eigenes Kapitel, worin die Biographie im Magazin-Stil angerissen wird. Der Lover und Zeitpartner Erich, Mutter, Vater, der plötzlich mit einer Geldspende alles gut machen will, was ein Vater allein schon dass er Vater ist so alles angerichtet hat, - wie in einer Talkshow spulen die Figuren ihre Kurz-Biographien ab. Sonst ist vor allem Life-Stile angesagt.

Das Lokal ist voll. Lu stellt sich Erich inmitten der schwitzenden, tanzenden Masse vor, das perfekt sitzende Haar, der teure Anzug. Er steht neben der Box und die Musik dröhnt in seinen Ohren, lauter, lauter und noch einmal lauter, bis er umfällt, der Lärm ihn niederdrückt, sein perfektes Haar und den teuren Anzug. (165)

Sex läuft nach solchen Events nach dem Motto ab:

Sie geht und der Mann geht neben ihr. (165)

Der einzige Kick dieser Begegnungen besteht darin, dass dahinter vielleicht jener geheimnisvolle Meldungsspender aus dem Internet verborgen sein könnte. Aber das Ende ist ja dann ganz anders.

Silvia Pistotnig erzählt von einem kalten trivialen Leben, das nicht einmal zu einer Sehnsucht fähig ist. Völlig perspektivlos konsumieren die Figuren ihre Lebenszeit und kommen über Internet-Surfen und Alltagskramuri der belämmerten Art nicht hinaus. So ist dieser Roman natürlich kein mitreißendes Ereignis, aber für eine Gesellschaft, wo belangloses Dahinblödeln angesagt ist, ist er ein authentisches und perfektes Lesedokument.

Silvia Pistotnig, Nachricht von Niemand. Roman.
Innsbruck: Skarabaeus 2010, 236 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7082-3290-4.

 

Helmuth Schönauer, 12-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Silvia Pistotnig

Buchtitel

Nachricht von Niemand

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

236

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7082-3290-4

Kurzbiographie AutorIn

Silvia Pistotnig, geb. 1977 in Kärnten, lebt in Wien.