J. F. Dam, Die Nacht der verschwundenen Dinge

Es geht nicht um Gefühle, es geht um das Leben. – Nicht immer ist eine Generation imstande, ihre Absichten halbwegs klar zu formulieren.

In J. F. Dams Roman „Die Nacht der verschwundenen Dinge“ versucht ein erfolgreicher Architekt, das Leben wie einen Prestige-Bau zu entwickeln und zu vollenden. Im Grundkern ähnelt dieses Unterfangen dem „Homo faber“ von Max Frisch, der trotz aller Umtriebigkeit auf allen Kontinenten die Liebesangelegenheiten in intimster Aura nicht auf die Reihe bringt.

Bei J. F. Dam baut der Ich-Erzähler Thomas fürsorglich eine heilende Blase um sich auf, während eines Burma-Trips hat er ein meditatives Buch entwickelt, in die buddhistische Gelassenheits-Welt zieht er sich nach seinem Scheitern als Lover und Lebensplaner wieder zurück.

In diesem Planungsbüro für Realismus läuft nicht alles nach Plan. Obwohl Thomas mit seiner Frau Christine eine stabile Ehe führt, zerfetzen ihm eines Tages bei einer Fete die Hormone jegliche Stabilität und er beginnt eine Affäre mit Helen, der Frau seines Freundes Michael. Dieses Quartett wird jäh auseinandergerissen, als wegen der Heimlichkeiten keine tragfähigen Gespräche mehr möglich sind. Was ist Bluff, was ist eine geheime Botschaft, was ist eine indirekte Verhöhnung?

Dem Architekten geht jegliches Gefühl für Statik verloren, obwohl sich die Gebäude wie von selbst bauen, wenn sie einmal durchfinanziert sind. Aber es geht ja nicht um Gefühle, sondern um das Leben, versucht sich der Held zu trösten, der immer mehr in eine Jammerlaune gerät und zu diesem Zwecke ein Tagebuch beginnt. Darin häufen sich spontane Überlegungen und philosophische Floskeln:

Die höchste Kunst: Unkompliziert, biegsam, dem Leben entlang. (155)

Dann bricht alles zusammen, die Frau lässt sich scheiden, der Freund stellt die Kommunikation ein, die Geliebte liegt nach einem schweren Autounfall im Krankenhaus und kann auch durch heftige Liebesbezeugungen nicht in die Höhe gebracht werden. Der Held verschwindet in seiner Meditationsblase, irgendwo in Burmesischen Mandalay fährt er mit einem Waffenrad durch die Dörfer:

Ich bin berührt worden von den richtigen Dingen: einem Flusssteg, Erkenntnis, Abgrund. Und sie bedeuten – nichts. (203)

J. F. Dam greift in einer souveränen Form die alte Geschichte von den Goethe‘schen Wahlverwandtschaften auf, wonach die Liebessachen zwischendurch auch den Bach hinuntergehen müssen, wenn es die Konstellation verlangt. Zum anderen neutralisiert er den Helden durch Meditation. Im fernen Osten lässt es sich gut aussteigen und träumen, es lässt sich dadurch aber nichts gewinnen, wenn der Bauplan für die Realität falsch ist. Erfolgreiche Helden scheitern in sich selbst, wenn sie dem System nicht mehr vertrauen, dem sie sich an den Hals geworfen haben.

J. F. Dam, Die Nacht der verschwundenen Dinge. Roman.
Wien: Deuticke 2015. 208 Seiten. EUR 19,50. ISBN 978-3-552-06278-8.

Weiterführende Links:
Deuticke Verlag: J. F. Dam, Die Nacht der verschwundenen Dinge
Homepage: J. F. Dam

 

Helmuth Schönauer, 28-02-2015

Bibliographie

AutorIn

J. F. Dam

Buchtitel

Die Nacht der verschwundenen Dinge

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Deuticke Verlag

Seitenzahl

208

Preis in EUR

19,50

ISBN

978-3-552-06278-8

Kurzbiographie AutorIn

Jyotishman Franz Dam, geb. 1963, Sanskrit-Studium in Wien, lebt in Salzburg.