Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia

„Der Suggestionskraft dieser Heldenerzählung kann man sich schwer entziehen. Sie machte Maria Theresia im Laufe des 19. Jahrhunderts zu der Symbolgestalt österreichischer Staatlichkeit schlechthin. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass das nicht immer so war.“ (X)

Maria Theresia zählt wohl zu den bekanntesten Herrscherinnen der Geschichte und in Österreich ist das mythische Bild der übergroßen Landesmutter weitverbreitet. Dabei spielte die Erinnerung an die „Kaiserin“ in den Schriften zur Zeit der Französischen Revolution schon kaum mehr eine Rolle. Es war das 19. Jahrhundert, das sie wieder auferstehen ließ und ihr die Rolle einer zentralen Symbolgestalt der österreichischen Staatlichkeit zukommen ließ. Anhand eines umfangreichen Quellenmaterials legt Barbara Stollberg-Rilinger minutiös das Bild der Kaiserin und ihrer Zeit vor ihrer Verklärung im 19. Jahrhundert frei.

In dreizehn umfangreichen Kapiteln wird das Leben von Maria Theresia von ihrer Geburt bis zu ihrem Tod detailliert erzählt, wobei das historische Umfeld, die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verhältnisse eine ebenso wichtige Rolle einnehmen, wie die biographischen Daten der Kaiserin. Dabei wird das Verhalten der Kaiserin ebenso wie die strengen Regeln bei Hof oder die streng hierarchisch abgestufte Gesellschaftsordnung aus dem historischen Kontext beurteilt und dem Blickwinkel von Historikern späterer Epochen entkleidet.

Die ersten Kapitel „Die Erbtochter“, „Der Erbfolgekrieg“ und „Kaiserin, Kaiser und Reich“ beschäftigen sich mit den schwierigen Anfängen der Regierungszeit Maria Theresias, die als Frau vor dem Problem stand, eine von allen Seiten gefährdete Hausmacht zu retten und zu erhalten. Dabei stehen die Auseinandersetzungen mit dem bayerischen Herzog Karl Albrecht von Bayern um die Kaiserkrone und mit Friedrich II. von Preußen um Schlesien im Mittelpunkt.

Die Kapitel „Reformen“, „Körperpolitik“ und „Distinktionen und Finessen“ beschäftigen sich mit dem Versuch Maria Theresias und ihrer einflussreichen Minister den Staat in Verwaltung, Kriegswesen und Strukturen zu reformieren. In weiterer Folge wird die Bedeutung der Person des Herrschers und seines Aufsehens und Auftretens für das Verständnis dieser Zeit ebenso beleuchtet, wie die Hofetiquette und der persönliche Zugang zur Kaiserin. Dabei werden die Abläufe bei Hof, Kleidungs- und Verhaltensvorschriften bei Audienzen u.a. genauestens beschrieben.

Das Kapitel „Sieben Jahre Krieg“ zeichnet die Vorgeschichte und den Verlauf des Siebenjährigen Krieges im großen europäischen Kontext nach und zeigt u.a. auf, welche Bedeutung bereits der Verbreitung von Informationen in den Medien zugekommen war.

Die Kapitel „Das Kapital der Dynastie“ sowie „Mutter und Sohn“ wenden den Blick wieder zurück auf die familiären Verhältnisse Maria Theresias, wobei die Erziehungsregeln für ihre Kinder ebenso behandelt werden, wie die rücksichtslose Heiratspolitik, mit der sie den Einfluss Österreichs gezielt zu vergrößern gesucht hat. Der Tod ihres Ehemannes Franz Stephans, der Aufstieg Joseph II., seine Rolle als Kaiser und die Spannungen mit seiner Mutter Maria Theresia als Mitregent bilden einen weiteren Schwerpunkt der Darstellung.

Die letzten Kapitel „Die Religion der Herrschaft“, „Das Fremde im Eigenen“, „Die Untertanen“ und der „Herbst der Monarchin“ spannen einen weiten Bogen von der Bedeutung der Religion und der Kirche in Maria Theresias Leben und Politik über ihr ablehnendes Verhältnis gegenüber den Juden sowie Protestanten bis hin zum Verhältnis zwischen Herrscherin und Volk, das in späterer Zeit als besonders liebevoll und mütterlich mystifiziert worden ist. Das letzte Kapitel schildert die letzten Jahre der Kaiserin, die unter dem Tod ihres Mannes leidet sowie ihr Verhältnis zu ihren zahlreichen Kindern, die sich von der strengen Mutter zu emanzipieren suchen.

Barbara Stollberg-Rillingers Biographie über die österreichische Kaiserin Maria Theresia fordert mit seinem Umfang von knapp 1100 Seiten seinen Leserinnen und Lesern einiges ab. Doch die Mühe macht sich mehr als bezahlt, geht doch das Sachbuch weit über eine einfache Lebensbeschreibung einer Monarchin weit hinaus. Detailliert werden geschichtliche und gesellschaftliche Verhältnisse geschildert, in denen das Alltagsleben der großen historischen Persönlichkeiten ebenso anschaulich dargestellt wird, wie das Leben der einfachen Bevölkerung.

Gezielt wird das mythische Bild der liebevollen Landesmutter in Frage gestellt und anhand von Quellen, zeitgenössischen Berichten und dem historischen Umfeld neu gezeichnet und bewertet. Die Biographie „Maria Theresia. Die Kaiserin und ihre Zeit“ bietet einen umfassenden und kritischen Blick auf eine große Gestalt der österreichischen und europäischen Geschichte der allen historisch interessierten Leserinnen und Lesern nur ans Herz gelegt werden kann.

Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie, m. 82 Abbildungen
München: C. H. Beck Verlag 2017, 1083 Seiten, 35,00 €, ISBN 978-3-406-69748-7

 

Weiterführende Links:
C. H. Beck Verlag: Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia
Wikipedia: Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia

 

Andreas Markt-Huter, 12-10-2017

Bibliographie

AutorIn

Barbara Stollberg-Rilinger

Buchtitel

Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

1083

Preis in EUR

35,00

ISBN

978-3-406-69748-7

Kurzbiographie AutorIn

Barbara Stollberg-Rilinger lehrt als Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Münster. Sie wurde für ihre Forschungen mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet und zählt zu den bedeutendsten Historikerinnen unserer Zeit.