Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen. Teil 2

Wenn von Lesen, Leseförderung, Literatur, Bibliotheken die Rede ist, denkt man nur selten an jene Menschen, die aufgrund einer Erblindung oder Sehbehinderung mit unserer so genannten Schwarzschrift ihre Probleme haben. Wie aber lesen blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderung.

Lesen in Tirol ist dieser Frage nachgegangen und hat dazu beim Tiroler Blinden- und Sehbehinderten Verband nachgefragt.

Lesen am Computer

Mit der Entwicklung der EDV wurden auch technische Ausgabemöglichkeiten in Blindenschrift entwickelt. Das Brailledisplay, auch Braillezeile genannt, ist heute für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderung nicht mehr wegzudenken ist. Dieses Hilfsmittel ermöglicht blinden Menschen die Arbeit am Computer, wobei der Bildschirmtext Zeile für Zeile mit Hilfe einer eigenen Software, dem Screenreader, auf das Brailledisplay übertragen wird.

Dabei werden die einzelnen Buchstaben mit kleinen Stiften gebildet, die in der entsprechenden Kombination der Brailleschrift mechanisch leicht angehoben werden. So lassen sich mit den Fingern die vom Computer übertragenen Texte abtasten. Wieviel Text auf der Braillezeile angezeigt werden kann, hängt dabei von der Länge der Zeile ab. Es gibt Braillezeilen mit einer Länge von 20, 40 oder 80 Zeichen.

Geschrieben wird auf einer normalen Tastatur, wobei sich mit Hilfe der Braillezeile kontrollieren lässt, was man selbst geschrieben hat. Zusätzlich zur Braillezeile gibt es außerdem die Möglichkeit, eine Sprachausgabe zu verwenden, mit deren Hilfe der Bildschirminhalt oder definierte Bereiche wie Statuszeilen vorgelesen werden können. Da diese technischen Hilfsmittel nur in kleinen Stückzahlen produziert werden, sind sie meist sehr teuer. Für eine 20er Zeile zahlt man ca. 5.000 ?, eine Braillezeile mit 40 Elementen kostet etwa 7.500 ? und mit einer 80er Zeile wird die Grenze von 10.000 ? überschritten.


Mit Hilfe des Brailldisplays, auch Braillezeile genannt, und einer geeigneten Software, dem sogenannte Screenreader, lassen sich Bildschirmtexte in Brailleschrift darstellen. Foto: Markt-Huter

 

Für die Arbeit am Computer wurde außerdem die Brailleschrift erweitert und die sogenannte Eurobraille entwickelt. Dabei handelt es sich um eine 8-Punkte-Computerbrailleschrift, die 1986 als gemeinsamer Nenner verschiedener westeuropäischer Sprachen für die Computerbedienung definiert wurde. Der Eurobraille liegt das Prinzip zugrunde, dass jedes Zeichen am Bildschirm einem einzigen Braillezeichen entspricht und umgekehrt.

Da sich die Zeichenbestände der Computer der 80-iger Jahre aus 256 Zeichen zusammen setzten, ermöglichte die Erweiterung der Brailleform von 6 auf 8 Punkte den Umfang der möglichen Zeichen erheblich zu erweitern. Auf der Computerbraille lassen sich nun durch die Kombination von 8 Punkten ebenfalls 256 verschiedene Zeichen kombinieren.

Die Eurobraille wird jedoch nicht in allen Ländern verwendet. Die größte Verbreitung hat sie im deutschsprachigen Raum, während sie im ursprünglich vereinbarten Westeuropäischen Raum nur selten Anwendung findet. Überhaupt nicht verwendet wird sie in den skandinavischen Ländern und in den USA, mit deren Zeichen sie außerdem nicht kompatibel ist.

Lesen im Internet und barrierefreier Zugang zum WEB

Als Meilenstein für den Zugang zu Informationen für blinde Menschen hat sich mittlerweile das Internet etabliert. Voraussetzung, um die entsprechenden Informationen aber auch in Brailleschrift übertragen zu können, ist der barrierefreie Zugang zu den jeweiligen Texten im Internet. Um das Internet barrierefrei zu machen, wurde eine Initiative gegründet, die Web Accessibility Initiative, kurz WAI genannt. Sie gibt Empfehlungen für ein barrierefreies Internet heraus, die sich vor allem an Webdesigner und -autoren sowie Entwickler von Tools zur Seitenerstellung und Content-Management-Systemen richten.


Durch neue Technologien wie den Computer und das Internet hat sich in den letzten Jahren für blinde Menschen eine neue Welt eröffnet und vieles konnte erheblich erleichtert werden. Jetzt gilt es bestehende Barrieren im Internet abzubauen. Foto: Markt-Huter

 

Unter barrierefreiem Internet werden Angebote verstanden, die sowohl von Menschen mit Behinderung bzw. mit Einschränkungen als auch von Benutzern ohne Behinderung sowie von automatischen Suchprogrammen uneingeschränkt genutzt werden können. Meist lässt sich dies nur selten vollständig umsetzen, sodass meist von barrierearm oder zugänglich gesprochen wird.

Allein die EU zählt mehr als 35 Millionen Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen, wobei auch der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig zunimmt. Diese Personengruppen haben im Internet mit zahlreichen Hürden zu kämpfen, die es verhindern, Informationen zu finden oder spezielle Funktionen nutzen zu können. Zu den häufigsten Barrieren gehören Beispielsweise kleine Schriften, schwache Kontraste von Schrift und Hintergrund oder unsaubere Programmiercodes mit verschachtelten Tabellen oder Javascripts.

Im eEurope-Aktionsplan wird seit 2005 der gleichberechtigte Zugang zur Informationsgesellschaft für alle Europäer gefordert. In der Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat und das Europäische Parlament heißt:

Barrierefreie Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) werden dazu beitragen, die Lebensqualität behinderter Menschen entscheidend zu verbessern. Ungleiche Chancen beim Zugang zu IKT können demgegenüber zu Ausgrenzung führen. In dieser Mitteilung schlägt die Kommission eine Reihe politischer Maßnahmen zur Förderung der Barrierefreiheit im Bereich der IKT (eAccessibility) vor. Sie ruft alle Mitgliedstaaten und beteiligten Kreise auf, freiwillige positive Maßnahmen zu unterstützen, mit denen barrierefreie IKT-Produkte und -Dienstleistungen in Europa in einem wesentlich größeren Ausmaß verfügbar gemacht werden.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: eAccessibility

 

Seit 1. Jänner 2008 müssen laut § 1 Abs. 3 des e-Government-Gesetzes die behördlichen Internetauftritte in Österreich barrierefrei gestaltet sein. Gleichzeitig werden aber auch private Internet-Betreiber aufgerufen, sich der barrierefreien Zugänglichkeit ihrer Auftritte im Internet zu widmen.


Seit Anfang 2008 müssen behördliche Internetauftritte einen barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderung ermöglichen. Quelle: Bundeskanzleramt: RIS

 

Der Tiroler Blinden- und Sehbehinderten-Verband bietet zum Gestalten von Blindenschrift am PC mit Serles ein spezielles Software-Programm an, das von Wolfgang Berndorfer und Gerhard Umshaus entwickelte worden ist, um blinden Menschen, Schülern und Lehrern das Gestalten von Blindenschriftunterlagen zu ermöglichen. Mit Hilfe der Software lassen sich Text in Blindenvoll- und Kurzschrift umwandeln, Formatierungen für den Ausdruck vornehmen, Druckaufträge an einen Blindenschriftdrucker weitergeben u.a. Das vor allem für den Blindenschriftunterricht entwickelte Programm eignet sich besonders für die Ausarbeitung von Kursen.

 

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Lesen in Tirol hat den Tiroler Blinden- und Sehbehindertenverband (TBSV) besucht und den Obmann des TBSV Richard Payr und die für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Mag. Barbara Hoffmann zum Lesenlernen und Lesen in Blindenschrift interviewt. Der 2. Teil des Interviews beschäftigt sich vor allem mit dem Lesen am Computer, im Internet und mit der Bedeutung des barrierefreien Zugangs zu diesem Medium.

 

Interview Teil 2

Lesen in Tirol: Wird die Erkennung von Literatur erleichtert, wenn sie bereits digitalisiert vorliegt, wie es z.B. bei den Werken im Projekt Gutenberg der Fall ist?

Barbara Hoffmann: Ob die Texterkennung gut funktioniert oder nicht hängt immer von der Aufbereitung der Texte ab. Das Projekt Gutenberg hat sich bewusst zum Ziel gesetzt, die Texte so anzubieten, dass sie barrierefrei gelesen werden können.

Blinde brauchen natürlich auch immer wieder Schulungen, weil sich die verschiedenen Anbieter noch nicht auf eine Version von Textdarstellungen geeinigt haben. Mit Hilfe von EU-Projekten konnten gerade im Bereich der Darstellung am Computer in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden.

Richard Payr: Durch den Computer hat sich in den letzten Jahren für Blinde eine neue Welt eröffnet und vieles konnte erheblich erleichtert werden.

Barbara Hoffmann: Im selben Atemzug muss leider gesagt werden, dass viele blinde Menschen daran gehindert werden, diese neue Welt zu nutzen, vor allem wenn z.B. Intern-Sites nicht barrierefrei zugänglich sind. Eigentlich müssen alle Öffentlichen Einrichtungen ab 1. Jänner 2008 eine barrierefreie Homepage anbieten, was derzeit bei weitem noch nicht der Fall ist.


Barbara Hoffmann (Bild links) und Richard Payer (Bild rechts) betonen die Vorteile die durch Computer und Internet für Blinde enstanden sind. Aber gerade im Bereich des Internet gibt es noch viel zu tun, um allen Menschen einen barrierefreien Zugang zu eröffnen. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Was sind die Kriterien für eine barrierefrei zugängliche Internet-Site und was bereitet beim Erkennen von Texten die größten Probleme?

Richard Payr: Die Kriterien werden als WAI-Richtlinien bezeichnet. WAI ist die Abkürzung für Web Accessibility Initiative (Initiative für ein barrierefreies Web). Alles was als Text vorhanden ist, kann von den Betroffenen meist recht gut gelesen werden. Alle Elemente aus dem graphischen Bereich sind für Blinde natürlich nicht erkennbar, außer die Bilder oder Graphiken sind mit beschreibenden oder erläuternden Texten unterlegt.

Barbara Hoffmann: Es besteht das Vorurteil, dass Graphiken mit Beschreibungen nicht mehr gut aussehen, was aber meiner Meinung nach nicht stimmt. Vor allem in den USA gibt es zahlreiche barrierefreie Internet-Sites und auch in Deutschland, wo das Gesetz über barrierefreien Zugang zum Internet bereits in Kraft ist, nimmt die Zahl immer mehr zu. Wichtig ist dabei einfach Bilder mit Text zu hinterlegen und Graphiken mit Text zu beschreiben.

Es hat sich als positiver Nebeneffekt gezeigt, dass barrierefrei gestaltete Internet-Sites allgemein für alle besser nutzbar werden. Internet-Sites mit 20 verschiedenen Frames, wo gesucht werden muss, wie man wohin kommt, bieten allgemein Probleme. Wenn es gelingt, die Site klar und einfach zu strukturieren, wird sie benutzerfreundlich und für alle leichter zu handhaben. Wichtig ist es auch einen Index anzubieten, wo sich Blinde aber auch alle Sehenden rasch einen Überblick über die Internet-Site verschaffen können.

Richard Payr: Wir versuchen auf unserer eigenen Internet-Site die Kriterien für einen barrierefreien Zugang ins Internet ganz besonders genau zu beachten. Unser Mitarbeiter Mag. Wolfgang Berndorfer hat die zweijährige Ausbildung zum barrierefreien Web-Designer auf der Universität in Linz absolviert. Er überprüft Anfrage Internet-Sites auf ihren barrierefreien Zugang und weist auf entsprechende Mängel hin. Außerdem können wir auf Anfrage auch entsprechende Schulungen anbieten.

Barbara Hoffmann: Es dürfte gerade für Öffentliche Einrichtungen eine große Hilfe sein, dieses Angebot anzunehmen. Es werden mittlerweile zwar zahlreiche Zwei-Tageskurse angeboten, trotzdem können diese nicht die Ausbildung ersetzen, die unser Mitarbeiter über zwei Jahre erworben hat. Es ist daher schon wichtig sich eine fundierte Hilfe zu suchen.


Barbara Hoffmann macht auf das vor allem für Öffentliche Einrichtungen interessante Angebot des Tiroler Blinden- und Sehbehindertenverbands aufmerksam, sich die eigene Internet-Site von einem Spezialisten auf ihre Barrierefreiheit hin überprüfen zu lassen. Foto: Markt-Huter

 

Wichtig bleibt aber auch, dass auf Gespräche Taten folgen. Mit der Universität Innsbruck haben wir beispielsweise sehr viele Gespräche geführt, die nicht sehr viel gebracht haben. Blinde, aber auch sehr viele Sehende finden sich auf der neuen Internet-Site der Universität nicht mehr zurecht.

Generell lässt sich aber doch eine zunehmende Nachfrage feststellen, allein weil immer mehr Einrichtungen bemerken, dass die zunehmende Anzahl an Frames die Benutzerfreundlichkeit erheblich verringert und Leute zunehmend verschreckt. Das betrifft vor allem auch ältere Menschen.

Viele Großunternehmen schrecken vor einer barrierefreien Gestaltung ihrer Internet-Site zurück mit dem Argument, dass sie im Internet optisch perfekt auftreten müssten. Dieser Anspruch muss aber einem barrierefreien Zugang überhaupt nicht widersprechen. Es ist nämlich kein Problem Bilder oder ein tolles graphisches Design zu verwenden.

Lesen in Tirol: Welche Gestaltungsmerkmale von Internet-Sites stellen die größten Probleme für einen barrierefreien Zugang dar?

Barbara Hoffmann: Blinde Menschen haben die größte Schwierigkeit mit Internet-Sites, wo sich auf beiden Seiten Links befinden. Ein Beispiel dafür wäre die neue Homepage der Universität Innsbruck, wo links und rechts vom Text jede Menge Links angebracht sind. Würde man hingegen eine Reihe mit Links und eine Reihe mit Text anordnen, wäre die Site praktisch beinahe barrierefrei benutzbar und würde auch für Sehende die Informationen leichter überschaubar anbieten.

Lesen in Tirol: Wie hoch sind die Anschaffungskosten für eine Braillezeile und die entsprechende Software, um als blinder Mensch den Computer und das Internet überhaupt nutzen zu können?

Richard Payr: Braillezeilen und Software zur Spracherkennung von digitalen Texten sind durchwegs sehr teuer, vor allem weil sie nicht in Massenproduktion sondern doch für eine relativ kleine Gruppe hergestellt werden. Ein Braillezeile kann je nach Ausführung des Geräts zwischen 5.000 und 15.000 Euro kosten.

Für Betroffene stellt sich daher die Frage, wie sie diese Hilfsmittel finanzieren können. Die finanzielle Förderung solcher Geräte durch die öffentliche Hand hängt ganz wesentlich davon ab, ob sich jemand in der Ausbildung, im Beruf oder bereits in Berufsunfähigkeitspension befindet.


Der Zugang zu den neuen Technologien ist, so der Obmann des TBSV Richard Payr, nicht zuletzt auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten: Braillezeilen kosten zwischen 5.000 und 15.000 Euro. Foto: Markt-Huter

 

Für ältere Menschen stellt sich die Situation meist etwas schwieriger dar. Häufig muss hier Hilfe von privaten Fördergebern angefragt werden. Dabei müssen für die Finanzierung eines Hilfsmittel oft eine ganze Reihe an Ansuchen gestellt werden, wobei die Ansuchenden meist einen gewissen Selbstbehalt selbst tragen müssen.

Barbara Hoffmann: Der Tiroler Blinden- und Sehbehinderten Verband bietet für soziale Notfälle in einem kleineren Ausmaß auch finanzielle Hilfeleistungen an. Wir sind aber selbstverständlich nicht in der Lage, jeden Blinden mit einer Braillezeile auszustatten. Nachdem jeder unserer ca. 1.650 Mitglieder oft ein sehr teures Hilfsmittel benötigt, sind unsere Möglichkeiten natürlich sehr beschränkt. Wir sehen die soziale Unterstützung unserer Mitglieder aber auch als Aufgabe der öffentlichen Hand und versuchen Förderungen für unsere Mitglieder möglichst auszuschöpfen.

Es ist schwierig die Förderungen zu beanspruchen, weil es sehr viel verschiedene Möglichkeiten gibt, die ohne Hilfe nur sehr schwer genutzt werden können. Allein für Eltern, die ihre blinden Kinder einschulen lassen wollen, ist es notwendig zumindest acht verschiedene Anträge zu stellen, was ohne Hilfe und ohne Erfahrung fast nicht mehr möglich ist.

Es ist sehr wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass Unternehmen, die Blinde anstellen, die blindengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes finanziert wird, sodass sie keinerlei Kosten zu befürchten haben.

Richard Payr: Viele private Unternehmen befürchten einen blinden Menschen nicht mehr kündigen zu dürfen, wenn er sich als nicht geeignet erweist. Dem ist aber nicht wirklich so. Auch ein blinder Mensch, der seine Arbeit nicht macht und seine Leistung nicht erbringt, kann gekündigt werden, wie jeder andere Arbeiter und Angestellte. Dieses Schreckgespenst besteht nicht mehr, dass ein Mensch mit Behinderung quasi als pragmatisiert zu gelten hat. Auch ein Mensch mit Behinderung muss seine Arbeit im Rahmen seiner Möglichkeiten leisten.

Barbara Hoffmann: Ein gibt noch ein anderes Missverständnis das im Zusammenhang mit der Arbeit am Computer und der Brailleschrift noch häufig besteht. Viele denken, dass die Braillschrift nur lesen kann, wer auch die Blindenschrift beherrscht, so wie die Gebärdensprache nur verstehen kann, wer die Gebärdensprache auch beherrscht. Das ist zwar richtig für die Brailleschrift am Papier, trifft aber nicht für die Arbeit blinder Menschen am Computer zu, weil diese ihre Texte genauso auf der Tastatur schreiben, wie Sehende und ihre Texte daher ganz normal am Bildschirm erscheinen. Nur für Blinde erfolgt die Übertragung geschriebener Texte auf die Braillezeile.


Blinde Menschen erkennen die Schrift zwar mii Hilfe ihres Tastsinns über die Braillezeile, schreiben ihre Texte aber ganz normal über eine Tastatur, sodass sehende Menschen ihre Texte über Bildschirm ganz normal lesen können. Die Computer-Braille setzt sich statt aus sechs aus insgesamt acht Punkten zusammen, sodass 256 verschiedene Zeichenkombinationen möglich sich.

 

Unternehmen erkennen mittlerweile immer häufiger, dass blinde Menschen weit mehr können als nur ein Telefon zu bedienen. Sie können e-Mails empfangen, weitersenden u.s.w.

Lesen in Tirol: Hat die Fähigkeit blinder Menschen am Computer lesen zu können, bereits Auswirkungen auf ihre Tätigkeit im Arbeitsleben bemerken lassen?

Richard Payr: Die Telefonzentralen im Bereich der Landesverwaltung und der Universität Innsbruck sind zum größten Teil mit unseren betroffenen Mitglieder besetzt, wobei die gesamte Telefonanlage nur mehr über Computer läuft.

Barbara Hoffmann: Es lässt sich ganz klar erkennen, dass sich das berufliche Spektrum und die beruflichen Möglichkeiten durch die Arbeit am Computer ganz erheblich erweitert haben. Blinde Menschen sind in der Lage praktisch das ganz Office-Paket zu bedienen. Die Braille-Schrift und der Computer haben die Möglichkeiten blinder Menschen nahezu grenzenlos gemacht.

Richard Payr: Wir haben natürlich immer noch sehr viele Telefonisten, aber das Spektrum der Arbeit erweitert sich zunehmend. Wir haben z.B. einen Mitarbeiter in einem Call-Center, der nicht nur mit dem Telefonieren beschäftigt ist, sondern auch alle anderen Tätigkeiten ausübt. Er muss Rechnungen schreiben, Überweisungen tätigen, Kundenbefragungen durchführen u.v.m. Der Beruf des klassischen Telefonisten hat sich also ziemlich erweitert. Eine ehemalige Mitarbeiterin beispielsweise, die in Innsbruck studiert hat und sieben Sprachen beherrscht, ist mittlerweile als Dolmetscherin in einer großen Ölfirma beschäftigt.

Barbara Hoffmann: In Tirol würden wir uns aber wünschen, dass es ein breiter gefächertes Arbeitsfeld für blinde und sehbehinderte Menschen geben würde. Wir versuchen immer wieder Aufklärungsarbeit zu leisten, damit sich das Betätigungsfeld für blinde Menschen durch die technischen Hilfsmittel erweitern kann. Notwendig ist nur die entsprechende Ausbildung der Blinden, woran wir vor allem arbeiten.

Lesen in Tirol: Was sind die häufigsten Wünsche und Forderungen blinder Menschen wenn es ums Lesen in allen seinen Facetten geht?

Barbara Hoffmann: Ein großer Wunsch der Blinden wäre sicherlich, dass die Angebote im Internet zunehmend barrierefreier gestaltet werden. Wir hoffen, dass das Gesetz eingehalten wird, das ab 1. Jänner 2008 in Kraft tritt und besagt, dass öffentliche Informationen barrierefrei zugänglich sein müssen. Ein Wunsch für die Hörbücherei wäre, dass das Angebot zusätzlich erweitert werden kann.

Richard Payr: Ich möchte in dieser Hinsicht einen allgemeinen Leitspruch in Anspruch nehmen, der besagt: Man ist nur dann behindert, wenn man behindert wird! Dieser Spruch betrifft natürlich auch das Lesen. Ein ganz konkreter Wunsch betrifft vor allem unsere älteren Mitglieder, denen es Schwierigkeiten bereitet, bestimmte Zeitungen zu lesen. Es wäre schön, wenn man bei Zeitungen oder Magazinen darauf achten würden, dass sie gut leserlich sind, dass ein guter Kontrast der Schrift zum Hintergrund besteht und dass die Schrift nicht allzu klein und gut leserlich gewählt wird. Eine Schrift wie etwa Arial, also ohne Serifen und in der Größe 12, würde sehbehinderten Menschen das Lesen wesentlich erleichtern.


In Bezug auf das Lesen gibt es für Barbara Hoffmann (Bild links) und Richard Payr (Bild rechts) noch zahlreiche Barrieren zu überwinden, die sich im Zeitungsbereich ebenso entdecken lassen wie im Internet. Für Obmann Payr gilt der Wahlspruch: Man ist nur dann behindert, wenn man behindert wird! Foto: Markt-Huter

 

Wir haben in letzter Zeit sehr viele Anschriften älterer Personen erhalten, die zumeist gar keine Mitglieder bei uns sind, die grundsätzlich noch relativ gut lesen können und die mitunter auch noch mit dem Auto fahren. In ihren Anfragen klagen sie über die Schwierigkeiten, die ihnen die neue Aufmachung und Kontrastierung der Tiroler Tageszeitung beim Lesen bereitet. Wir haben in dieser Hinsicht bereits bei der TT angefragt und es soll in nächster Zeit Gespräche zu diesem Thema geben.

Lesen in Tirol: Fragen Medien und öffentliche Einrichtungen bei den Blindenvereinen nach, ob die Darstellung von Texten auch für sehbehinderte Menschen geeignet ist?

Barbara Hoffmann: Von den österreichischen Medien gibt es eigentlich keine Nachfragen, wenn man vom ORF in Wien absieht, wo man versucht hat die Textbalken der ZiB lesefreundlicher darzustellen. In Tirol selbst haben wir von Seiten der Medien noch keine Anfragen erhalten, sehr wohl aber von öffentlichen Einrichtungen, wie dem Land u.a.

Es ist eine ähnliche Entwicklung wie in Deutschland, dass man zunehmend darauf achtet, dass die Sehleistung ab 50 Jahren abnimmt und Sehbehinderungen im Alter gravierend zunehmen. Mit ein Grund dafür könnte vielleicht sein, dass sich die Auswirkungen der Bildschirmarbeit am Computer bemerkbar machen. Da zunehmend auch finanzkräftigere Teile der Bevölkerung von einer Sehbehinderung betroffen sind, steigt auch das Bedürfnis der Einrichtungen ihre Informationen so darzustellen, dass sie auch von dieser Gruppe gelesen werden können.

Wir hoffen, dass auch Medien in Österreich und Tirol nach den Bedürfnissen von Menschen mit Sehbehinderungen fragen. Wichtig bleibt aber, dass auf Gespräche auch Taten folgen. Mit der Universität Innsbruck haben wir beispielsweise sehr viele Gespräche geführt, die nicht sehr viel gebracht haben. Blinde, aber auch sehr viele Sehende können sich auf der neuen Internet-Site der Universität nicht mehr zu Recht finden.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

 

 

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Links zum Thema: Computer und Internet für Blinde

Links zum Thema: barrierefreies Internet

 

Weiterführende Links:
Tiroler Blinden- und Sehbehindertenverband
Bundes-Blindenerziehungsinstitut

 

Andreas Markt-Huter, 21-01-2008

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