Elias Schneitter, Moments of a biography...

elias schneitter, moments ...Wenn man sich durch die sieben Schichten des Titels durchgewühlt hat, ist man auf jeden Fall eines: Lesehungrig!

Elias Schneitter hat sein sagenhaftes Poetry-Monument vom abgetauchten Triestiner Schriftsteller Voghera ins Englische übersetzen lassen, um einerseits zu überprüfen, ob das Verschwinden auch in anderen Sprachen funktioniert, und um anderseits das amerikanische Erzählelement des großen Poems endlich in die geheime Originalsprache zu überführen.

Thema nämlich ist nicht das Erzählte, sondern die Erzählsituation. Nicht die Art der Verwundung wird dargestellt, sondern der Schmerz wird im Stile der Beatniks zelebriert. Die höchste Form des Erzählens ist das Nichterzählen, der ideale Zustand des Dichters ist jener des Verschwunden-Seins.

In den „Moments“ geht es dann bald um jenes Buch „Geheimnisse“ hinter dem sich der Triestiner Schriftsteller Voghera ein Leben lang versteckt hat. Es ist sinnigerweise nicht lieferbar und der schreibende Held der „Momente“ muss sich andere Auskunftsquellen suchen, beispielsweise Phon und Graph, die treten als die zwei Gehülfen der Literatur auf. Sie beweisen einander ständig die Unmöglichkeit, zwischen Realität und Aufzeichnung zu unterscheiden. „Du sagst etwas und es gilt nicht, du schreibst etwas, und es wird für vollkommen genommen, und noch dazu ist beides sinnlos.“

Überhaupt werden seltsame Fragen gestellt, warum hat der Frosch keine Haare? Diese Frage ist insofern wichtig, weil sie nicht Irgendwen sondern Gert Jonke beschäftigt.

Auch die ausgeschütteten Nachrichten sind von einem seltsamen Klang: Ein japanischer Konzern hat gerade das deutsche Alphabet gekauft, ein Einheimischer kann am Stammbaum nachweisen, dass er auch nach 1200 Jahren noch nicht in den Bergen heimisch geworden ist.

Der Text ist als Bruch-Prosa angelegt, kleine Sequenzen beziehen sich auf literarische Gespräche von Trinkenden, Wehmütigen oder Gescheiterten, wobei selbst die kleinsten Szenen noch einen gewissen Speed in Richtung Trunkenheit und Aufklärung erfahren. Ein in den Wäldern von Mötz aufgewachsener Spontandichter erzählt so lange von Gedichten, die man annehmen statt aufschreiben muss, bis er tatsächlich noch ein Bier kriegt. Der melancholische Icherzähler versucht seinem Sohn zu erklären, wie das mit den Buchstaben ist, die zwar locker in den Kopf hineingehen, dort aber nichts ausrichten. Alles lässt sich doppelt sehen, wenn man nur genau hinschaut. Dem Erzähler wurde einst als Kind die Sehschärfe operativ verhunzt, seither sieht er die Welt wirklich, plastisch und verschwommen.

Mittendrin kommen die amerikanischen Beatniks mit legendären Sagern zu Wort, als Kontrapunkt zur kleinen Welt von Zirl oder Pradl. Jetzt in der englischen Übersetzung mit einer Kraft, die im Deutschen Original nur ansatzweise zum Vorschein tritt.

Elias Schneitters unmögliche „Moments“ aus der Welt der Literatur, der Lektüre und des Leckmich ergeben letztlich ein scharfes Bild voller Doppeldeutigkeit und schrägem Blick.
 
Elias Schneitter, Moments of a biography in which Giorgio Voghera puts in several appearances. Ins Englische übersetzt von Isabelle Esser
[Orig.: „Augenblicke einer Biographie, in der Giorgio Voghera schon seine Finger im Spiel hat.“ Innsbruck, Skarabaeus 2007.]
Zirl: Edition BAES 2016, 129 Seiten, 12,50 €, ISBN 978-3-9503811-8-4


Weiterführende Links:
Edition BAES: Elias Schneitter
Wikipedia: Elias Schneitter

 

Helmuth Schönauer, 17-02-2017

Bibliographie

AutorIn

Elias Schneitter

Buchtitel

Moments of a biography in which Giorgio Voghera puts in several appearances

Originaltitel

Augenblicke einer Biographie, in der Giorgio Voghera schon seine Finger im Spiel hat

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Edition BAES

Übersetzung

Isabelle Esser

Seitenzahl

129

Preis in EUR

12,50

ISBN

978-3-9503811-8-4

Kurzbiographie AutorIn

Elias Schneitter, geb. 1953 in Zirl, lebt in Zirl und Wien.