Herbert Maurer, Byron schwimmt und ertrinkt in seinem Zimmer

Ein Mythos, der schwimmen kann und dennoch ertrinkt, in der Literatur sind solche Auswüchse der Physik und Metaphysik kein Problem.

Herbert Maurer erzählt so etwas wie eine metaphysische Schelmengeschichte rund um den Helden Byron, der nichts Anderes will, als Armenisch lernen, weil der Autor ein hervorragender Übersetzer für das Armenische ist.

Dieser Byron hat durchaus mit dem romantischen Sprachexperimentierer Lord Byron zu tun, freilich lebt er in der Gegenwart und ist a jour, was Sprachprobleme oder Erzähltheorie betrifft. Ein Hauptanliegen ist ihm der persönliche Dialog mit Grammatik, Vokabeln und Metaphern. Wenn die Begriffe nicht auf Anhieb klappen, müssen sie ausgeklappt oder zusammengeklappt werden. So ist der Ausdruck „waagrechte Angst“ für jemanden, der waagrecht im Wasser liegt, durchaus kein Problem.

In gut zwanzig Inszenierungen wird die Sprache getestet, gedreht, gewalkt und schließlich fürs Archivieren bereitgestellt.

Kann die Sprache schlafen? Und wenn ja, schläft sie linksseitig oder rechtsseitig? (57)

Solche Fragen ergeben sich im Umgang mit Zuständen wie der Angst oder der Verschwörung, aber auch Körper können Ungemach auslösen, Kinder sowieso, und Fleisch, Kühe und Leichen erst recht.

In einer ausführlichen Analyse über die Aufgaben von Zimmern und ihre Auswirkungen auf die Helden taucht dann die Gleichsetzung der Sprache mit einem Körper auf. Nicht umsonst sprechen wir von einem Sprachkörper, der ähnlich aufgebaut ist wie ein Body aus Fleisch und Blut. Dieser Sprachkörper kann sich in einem Zimmer nur aufhalten, wenn er schwimmt. Das Sprechen wird folglich zu einem Schwimmen im eigenen Text. Schwereloses Stammeln ist die letzte Möglichkeit, sich gegen den Untergang zur Wehr zu setzen.

Trotz dieser Sprachexperimente entstehen tolle Abenteuer und vor allem ungeheuer präzise Beobachtungen. Meine Leber ist der Genitiv, geil und schön ist nur die nasse Tinte, Enten in Tiefschlaf können Faschiertes sein, Flötistinnen sind immer starke Lungenbesitzerinnen.

Am Beispiel der Wiener Wurscht, die ein metaphysisches Abwinken von Problemen auslöst, löst sich auch die letzte Verkrampfung beim Schwimmen auf, oder geht es doch um das Sprechen, wenn jemand durch die Zimmer strampelt?

Die Prognose für die Zukunft fällt typisch deutschsprachig aus und besteht aus einem Tippfehler. Es geht schlicht um Zubrunft, die den Helden erwartet.
Herbert Maurer erzählt in einem frisch renovierten Sprachraum, in dem die alten Geschichten in einer neuen Sprechweise erzählt haben. Aber keine Angst, das Herz des Lesers rast wie bei einem Schwimmer, das ist nämlich die Hauptaufgabe eines Leserherzens.

Herbert Maurer, Byron schwimmt und ertrinkt in seinem Zimmer. Roman
Wien: Klever Verlag 2017, 115 Seiten, 17,00 €, ISBN 978-3-903110-19-9

Weiterführende Links:
Klever Verlag
Wikipedia: Herbert Maurer

Helmuth Schönauer, 13-03-2017