Margit Helga Hosp, Auf flachen Sohlen auf und davon

margit helga hosp, auf flachen sohlen auf und davonHelden können es sich in der Literatur nicht aussuchen, an welchem Abenteuer sie groß werden möchten. Und heldenhafte Kinder können erst später im Leben ausmachen, welche Erlebnisse sie entscheidend geprägt haben.

Margit Helga Hosp führt in zehn Erzählungen markante Erschütterungen vor, die fürs erste nur der Ich-Erzählerin auffallen. Es sind dies kleine Verwundungen, Abfallspäne von Mobbing, romantische Ausreißer der Logik oder Dramaturgie-Vorgaben, die jede Heldin aus der Bahn werfen.

„Auf flachen Sohlen auf und davon“ ist eine Erziehungsgeschichte, worin die Kinderseele ordentlich zertrampelt wird, ehe sich die Erzählerin daraus befreien kann. Wie so oft in Familien der Nachkriegsgesellschaft wissen die Eltern nicht, wie man mit Mädchen umgeht, wenn der Stammhalter der Jüngere ist. So steckt man dem Mädchen Hafele-Schuhe und andere männliche Trittflächen an die Füße, damit der Bub die Schuhe dann auftragen kann, die für das Mädchen alleine zu schade gewesen wären. Die Erzählerin freilich merkt, dass es auf die Schuhe drauf ankommt, wenn man sich emanzipieren will. Mit der Zeit hat sie für jeden Anlass den passenden Schuh. Auch als die Ehe sich totgelaufen hat, ist sie gerüstet und läuft auf flachen Sohlen davon.

Im Schatten des großen Knalls von Nine-Eleven braut sich in der Seele der Erzählerin eine Veränderung zusammen, es wird nichts mehr sein, wie es gewesen ist. Schon lange schwärmt die Heldin von einem Autor, der in seinen Büchern die neue Liebe aus dem Trümmerfeld der vorhergehenden Liebschaften predigt. Die Heldin lässt sich bei der Lesung eine Widmung ins Buch schreiben und fällt fast in Ohnmacht, als der Autor ihren Namen hinzuschreibt. Jetzt weiß sie, dass sich für einen Augenblick die Sehnsucht erfüllt hat, einem Angebeteten nahe zu sein. Schon im nächsten Augenblick verliert alles seine Unschuld, die Twin-Towers sacken zusammen und nichts ist mehr so, wie es sich in den Träumen einmal gezeigt hat.

In der Erzählung vom „Deal“ wundern sich die Angehörigen, dass der Großvater noch einmal aus dem Totenbett aufsteht und den Krebs für kurze Zeit überwindet. Er hat mit dem Enkel einen Deal geschlossen, wenn dieser beim Sport gewinnt, wird er weiterleben. Beide erfüllen ihren Anteil am Deal, wenn auch nur für kurze Zeit.

Eine Erinnerungssequenz zurück in die Kindheit zeigt den Inn noch als lebendigen Fluss, wie er durch die Nachkriegsstadt rauscht und bei jedem Gewitter die Gärten mitnimmt. Später sind alle erwachsen geworden, der Fluss, die Stadt, das Kind. Aber es ist auch alles geradlinig und sicher geworden, das ganze Leben spielt sich mittlerweile kanalisiert ab.

Margit Helga Hosps Erzählungen entstehen oft aus einem Tagebuch-Ausriss, es kommen beim Erzählen Verbündete hinzu und am Ende zeigt sich ein Stück Seelen-Vegetation, worin die Freiheit für einen Nachmittag die Decke ausgebreitet hat.

Margit Helga Hosp, Auf flachen Sohlen auf und davon und andere Geschichten. Erzählungen
Norderstedt: Books on Demand 2017, 144 Seiten 8,99 €, ISBN 978-3-7431-6309-6


Weiterführende Links:
Books on Demand: Margit Helga Hosp, Auf flachen Sohlen auf und davon
Homepage: Margit Helga Hosp

 

Helmuth Schönauer, 02-05-2017

Bibliographie

AutorIn

Margit Helga Hosp

Buchtitel

Auf flachen Sohlen auf und davon und andere Geschichten

Erscheinungsort

Norderstedt

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Books on Demand

Seitenzahl

144

Preis in EUR

8,99

ISBN

978-3-7431-6309-6

Kurzbiographie AutorIn

Margit Helga Hosp, geb. 1955 in Innsbruck, lebt in Völs.