Robert Kleindienst, Brandseelaute

robert kleindienst, brandseelauteEinwortgedichte sind nach wie vor die beste Methode, einen Gedichtband unverwechselbar zu überschreiben.

Robert Kleindienst verrät mit seiner Lyrik-Formel „Brandseelaute“ schon ein wenig von seinem Konzept, das Weite wird durch spitze Wörter angestochen und wie ein aufgeschlagenes Ei in semantischen Dotter und Eiweiß zerlegt. Brandseelaute sind vielleicht Geräusche aus einem Meer jenseits der Brandung, sie können aber auch aus einer Laute stammen, die auf hoher See abgebrannt ist.

Die achtundachtzig Gedichte sind in sieben Vitrinen ausgelegt, die die Themen jeweils in einen einzigartigen poetischen Schein tauchen.

Libellenflügel / Traumdichte Kähne / Brandsonnen / Fluten / Im Sog der Sirenen / Kielspuren / Eine Leuchtboje später.

Viele dieser Sehschlitze haben mit Küste, Meer, Sommer, Wasser und Wellen zu tun, oft sind die Gedichte hinter diesen Ortsangaben angesiedelt und kümmern sich um einen unendlichen Sonnenaufgang:

Wie es wäre: / den Sonnenaufgang / zu beschreiben / ohne ans Ende zu denken. (110)

Oft sind die Gedichte Ausrisse aus einer überdimensionierten Wetterbeschreibung kontinentalen Ausmaßes, dann werden wieder physikalische Gesetzmäßigkeiten aus den Angeln gehoben, ein Flecken Freiheit wird ausgerufen, aber er ist hinter falschen Koordinaten angesiedelt.

Unter dieser Glocke aus elementarem Gestöber ducken sich dann poetische Einrichtungen, die als Postkarten aus Krumau etwa von Schlingen berichten, die die Moldau um die Stadt gelegt hat. Ein paar Mal wird ansatzlos ein Datum genannt, das nichts bedeutet, außer dass die Zeit dabei ein Stück weitergezogen ist, gerade der Sprung von einem Zustand in den Nächsten erzählt zwischendurch die größte Veränderung mit den Ausmaßen eines Haarrisses.

Aufschüttung, Mahd, nur einen Augenblick, für immer vielleicht. – Diese Überschriften versuchen einem poetischen Kontinuum Unterfutter zu geben, Stationen des Nachdenkens zu sein, einen langen Windstoß in Böen zu unterteilen.

Jedes Innehalten öffnet auch wieder einen neuen Raum, der meist mit unbeantwortbaren Fragen ausgekleidet ist.

Erwachen // aber was / wird gesammelt / in den Müllwägen / morgens / was kippen / die Fahrer / ins staublose Rot (25)

Robert Kleindienst gelingt es mit diesen ungewöhnlichen Handgriffen, überall Halt zu finden für seine Texte, er gleicht einem Freikletterer, der überall seine Routen ausleben kann. Die „Brandseelaute“ sind folglich Laute, die nicht als Geräusch übertragen werden sondern als Licht, Freiheitsimpuls oder Wärmeeinheit.

Was die Verknappung der Bilder betrifft, das Zusammenfügen entfernter Wörter zu einem neuen Klumpen an Sinn, so schwingt manchmal etwas von einem Paul Celan durch, freilich in einem anderen Feld. Bei Robert Kleindienst kann plötzlich Hitchcock auftauchen und einen Schrecken markieren, das lyrische Ich kann intubiert werden, um einen Atemschock zu überwinden und Kafkas Verwandlung lässt sich an solchen Tagen zum profanen Erschlagen von Fliegen verwenden. – Lautlose Ironie.

Robert Kleindienst, Brandseelaute. Gedichte
Innsbruck: Edition Laurin 2017, 111 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-3-902866-49-3

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Robert Kleindienst, Brandseelaute
Wikipedia: Robert Kleindienst

 

Helmuth Schönauer, 07-05-2017

Bibliographie

AutorIn

Robert Kleindienst

Buchtitel

Brandseelaute. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

111

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-902866-49-3

Kurzbiographie AutorIn

Robert Kleindienst, geb. 1975 in Salzburg, Stadtschreiber in Kitzbühel 2007, lebt in Salzburg.

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