Paul Nizon, Die Republik Nizon

Paul nizon, die republik nizonLiteratur ist das Drumherum, das einen Text begleitet. Für eine heftige Schriftstellerkarriere gehört es sich auch, dass der Schriftsteller Beruf und Leben als etwas einmalig Romantisches inszeniert, am besten, wenn er gleich eine ganze Republik mit seinem Namen ausruft.

Paul Nizon gilt als einer der Ganz-Großen des gegenwärtigen Literaturbetriebs. Zu dieser Größe verhilft ihm erstens die lange Lebensdauer, denn als Letzter mancher Jahrgänge kann er die Literatur nach seinem Drehbuch inszenieren. Zum zweiten macht ihn stark, dass er nur über große Namen spricht, wenn er über sein eigenes Werk redet, nicht umsonst werden Literaten ab einer gewissen Fallhöhe als Blaublütler bezeichnet, die wie im Hochadel üblich nur untereinander verkehren.

Paul Nizon gibt in dem berühmten Interview „Die Republik Nizon“ dem Literaturjournalisten Philippe Derivère bereitwillig Auskunft über Themen wie Kindheit, Exil, Lesen und Schreiben. Ironisch nennt er seinen Habitus auch Hochstaplerei und er steht klug über den Dingen, die er Autofiktion nennt. Darin wird das eigene Leben wunschgemäß hergerichtet, bis es ein Kunstwerk ist. Manchmal genügt ein Stichwort, und der Künstler legt einen Mini-Essay vor, den er vielleicht gerade für ein Magazin abgeliefert hat, an anderer Stelle gibt er auf eine besserwisserische Frage des Interviewers kurze Antworten Marke Niki Lauda, indem er einfach „stimmt“ oder „nein“ sagt.

Einen Großteil des Gesprächs nehmen Ausführungen über die Hauptwerke „Canto“, „Die gleitenden Plätze“ und „Stolz“ ein. Diese Passagen sind manchmal wie Home-Storys gehalten, indem etwa über den Helden Stolz, der im Spessart den Aussteiger spielt und umkommt, erzählt, wie er selbst ein Stipendium in größter Entlegenheit abgearbeitet hat.

Denn obwohl die Parole für das Schreiben Widerstand heißt, gelingt es dem inszenierten Hungerkünstler immer wieder, vermögende Freunde zu finden, die ihn jenseits aller Sozialversicherungen aushalten. Wenn gar nichts mehr hilft, wird eben eine Portion Text aus dem Vorlass verkauft, womit für die Exfrau eine Wohnung gekauft wird, wie Christoph W. Bauer in seinem Nachwort elegisch ausgeschmückt erzählt. (192)

Jenseits der Inszenierungen sind manche Ansätze in der Republik Nizon bemerkenswert und überzeugend, so wird im Zusammenhang mit Beziehungen einmal von Liebesvergiftung gesprochen, wie man andernorts von einer Blutvergiftung spricht. Das prekäre Schreiben macht den Künstler für die direkte Umwelt nicht eben gerade erträglich. Dazu kommt vielleicht eine schweizerische Eigenbrötlerei, mit der Nizon fallweise von Depressionen umhüllt in Paris sitzt. Literarisch nennt man diesen Zustand dann Affinität zu den Beatniks.

Die Republik Nizon ist ein sympathisch größenwahnsinniges Unterfangen, das skurril unterhält wie etwa eine Thomas Bernhard Autofiktion. Wenn man sich als aufgeklärter Leser vom literaturhöfischen Getue nicht allzu sehr ablenken lässt, entstehen tatsächlich die Bücher des Nizon noch einmal vor dem Leserauge, dieses Mal von oben erzählt, aus der Sicht eines Kanzlers der eigenen Republik.

Paul Nizon, Die Republik Nizon. Eine Biographie in Gesprächen, geführt mit Philippe Derivère, a. d. Französ. von Erich Wolfgang Skwara, mit einem Nachwort von Christoph W. Bauer [Orig. Paris 2000; deutsche EA Wien 2005]
Innsbruck: Haymon Verlag 2017, 215 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-7099-7277-9


Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Paul Nizon, Die Republik Nizon
Wikipedia: Paul Nizon

 

Helmuth Schönauer, 25-04-2017

Bibliographie

AutorIn

Paul Nizon

Buchtitel

Die Republik Nizon. Eine Biographie in Gesprächen

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Haymon Verlag

Übersetzung

Erich Wolfgang Skwara

Seitenzahl

215

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-7277-9

Kurzbiographie AutorIn

Paul Nizon, geb. 1929 in Bern, lebt in Paris.