Kurt Leutgeb, u.a. (Hg.), Gegen den Ball

gegen den ballEin guter Roman ist wie ein Fußballspiel, Figuren rennen mehr oder weniger koordiniert einem Thema nach, Gedankengänge werden abgeblockt, plötzlich tun sich Alternativen auf, und zwischendurch gibt es starke Emotionen, wenn sich jemand verletzt hat oder gar sein Ziel erreicht, indem er das berühmte Goal macht.

Längst gilt Fußball als Kultureinrichtung wie die Oper oder das Literaturhaus, auf die Spitze getrieben wird dieser Respekt vor dem Fußball, wenn sogenannte Nationalmannschaften aus Dichtern im Rahmen eines Kulturfußballfestes gegen einander antreten mit der Absicht, niemanden außer den Ball zu treffen.

Kurt Leutgeb, Thomas Pöltl und Gerhard Ruiss, die „geheimen Trainer“ der österreichischen Fußballmannschaft, ja vielleicht aller Dichter des Landes, richten seit gut zehn Jahren Festivals auf höchstem Niveau aus. Legendär sind Matches gegen Ungarn, Slowenien, Schweiz, Deutschland, England oder die Türkei.

In einem fetten Reader sind jetzt die wichtigsten Spiele dokumentiert, dabei kommen auch die Gegner mit ihren Texten zu Wort und überdribbeln mit sehenswerten fiktionalen Vorstößen jeden trivialen Alltag. Denn eines ist gewiss, alle beteiligten Personen können fußballspielen und dichten.

Tirol ist dabei oft mit den Schlüsselspielern Torwart Christian Kössler und Stürmer Thomas Schafferer vertreten. Ehrensache, dass sie in Kondition und Technik die Tiroler Gegenwartsliteratur perfekt abbilden.

Im Reader geht es natürlich in allen Darstellungsformen um dieses emotionale Gebilde aus Vorstoß, Rückzug und Out. Christian Futscher berichtet dem Trainer in neun Auszügen, wie er zwar körperlich noch unter jeder Sau beinand ist, mental aber gegen jeden Gegner zu spielen vermag.

Thomas Schafferer testet ganz Europa nach Schauplätzen ab, an denen gekickt oder gedichtet werden kann.

Dovi Keich stellt die Fußballwelt mit Comics auf den Kopf, indem er jeweils eine Schlüsselszene der Matches aus der WM 2014 als grenzwertige Situation einfängt, die keine Torkamera einfangen kann. Merke: Man kann den Eindruck der Torkamera auch zeichnen.

Thomas Pöltl liefert die berühmte österreichische Stimmung nach, wenn Hätti, Wäri und Täti ein Spiel analysieren und dabei in einem Frust-Dramolett landen.

Gedichte über Diego Maradona, eine Spieler-Aufstellung von einem Softwarehersteller, verunglückte Doppelpasses, Tagebuchaufzeichnungen von einem geheimnisvollen Spiel in Unna, Romanentwürfe, die ins eigene Tor gehen: Das Fußballfeld ist mindestens so groß wie das literarische!

Wenn Autoren kicken, kommen zwei Traumberufe zusammen, und auch die Zuschauerzahlen rasen in die Höhe, denn Fußball und Literatur passen zusammen wie Dotter und Eiweiß und ergeben zusammen das berühmte Ei der Erkenntnis.

Kurt Leutgeb / Thomas Pöltl / Gerhard Ruiss (Hg.), Gegen den Ball. Wenn Autoren kicken
Klagenfurt: Sisyphus Verlag 2017, 565 Seiten, 29,60 €, ISBN 978-3-903125-13-1


Weiterführender Link:
Sisyphus Verlag: Kurt Leutgeb, u.a. (Hg.), Gegen den Ball

 

Helmuth Schönauer, 09-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Thomas Pöltl / Dovi Keich / Christian Futscher u.a.

Buchtitel

Gegen den Ball. Wenn Autoren kicken

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Sisyphus Verlag

Herausgeber

Kurt Leutgeb / Thomas Pöltl / Gerhard Ruiss

Seitenzahl

565

Preis in EUR

29,60

ISBN

978-3-903125-13-1

Kurzbiographie AutorIn

Kurt Leutgeb, geb. 1970 in Steyr; Thomas Pöltl, geb. 1967 in Graz; Gerhard Ruiss, geb. 1951 in Ziersdorf, alle drei leben in Wien.