Ernest van der Kwast, Die Eismacher

ernest van der kwast, die eismacherAuf eine unsichtbar lustvolle Art ist jeden Sommer Europa mit einer fruchtigen Eisschicht überzogen. Wie selbstverständlich wird überall Eis ausgerufen und erotisch verschleckt, dabei kommt das Spitzeneis aus einer Spezialisten-Familie, die vom Cadore aus den Dolomiten heraus die Welt erobert hat.

Ernest van der Kwast lässt über mehrere Generationen hinweg eine Eismacher Familie auftreten, er veredelt ihr Tun aber, indem die Geschichte von einem Eis-Aussteiger erzählt wird. Guiseppe soll wie alle anderen der Sippschaft in die Eismacherei einsteigen, aber er wird Verleger und kreiert Lyrik wie eine Eisspezialität.

Diese Parallelführung von Speiseeis und Sommerlyrik ist bestechend logisch, in beiden Fällen geht es um Kreationen, die dem Menschen Gutes tun, beides verfügt über eine eigene Sprache, so dass es überall verstanden wird, beides braucht eine Lebenslust, die auf die kommenden Generationen überspringt.

Apropos überspringen, dem Bruder des Erzählers gelingt es ums Verrecken nicht, einen Eismacher-Sohn zu zeugen. Die Eiskunst steht auf dem Prüfstand, jetzt ist schon der eine Sohn wegen der Literatur ausgestiegen, und nun wird auch dem anderen noch die Stammlinie unterbrochen.

In der Literatur ist alles möglich und erlaubt, deshalb setzt sich der Erzähler zwischen zwei Lesetourneen hin und macht der Schwägerin ein Kind. Diese Szene ist cool erotisch: Während die einen drinnen noch hitzig am Kind arbeiten, macht der andere draußen schon frisches Eis, damit die Sache einen Geschmack kriegt.

Natürlich wird das Kind später Guiseppe genannt, sonst wäre ja alles umsonst gewesen. Auf einer Bildungsreise fahren die Guiseppes über Toblach nach Cadore, wo alles einst seinen Ausgang genommen hat. In Toblach hat gerade jemand einen Lottotreffer gelandet und ist eine Woche später an einem Herzinfarkt gestorben. So nahe liegen Glück und Unglück eben beisammen.

Viele Eismacher sind über die ganze Welt verstreut, nur mehr wenige kehren an ihren Ursprungsort zurück, dem Ort selbst sieht man es nicht an, welche Genies einst daraus weggezogen sind.

Ernest van der Kwast hat mit seinem Roman den Eismachern ein Loblied gesungen und sie den Lyrikern gleichgestellt. Kapitelweise gibt es Anekdoten um Geschmacksrichtungen, Betriebsspionage, Durchbrüche und Fehlkompositionen. Gleichzeitig erzählt der Verleger von raren Gedichten, die extra für ein Festival geschrieben sind und dann wieder vergessen werden.

"Wenn ich aus Holland zurück bin, bekommst du ein Lego" heißt so ein wundersames Gedicht von Boris Ryzhy aus Jekaterinburg (1974-2001), der es durchaus mit der Leichtigkeit einer Eiskugel aufnimmt. – Sommer, leicht, poetisch!

Ernest van der Kwast, Die Eismacher. Roman, a. d. Niederl. von Andreas Ecke [Orig.: De Ijsmakers, Amsterdam 2015]
München: btb Verlag 2016, 383 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-442-75680-3

 

Weiterführende Links:
btb Verlag: Ernest van der Kwast, Die Eismacher
Wikipedia: Ernest van der Kwast

 

Helmuth Schönauer, 26-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Ernest van der Kwast

Buchtitel

Die Eismacher

Originaltitel

De Ijsmakers

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

btb Verlag

Übersetzung

Andreas Ecke

Seitenzahl

383

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-442-75680-3

Kurzbiographie AutorIn

Ernest van der Kwast, geb. 1981 in Bombay, lebt in Südtirol und Rotterdam.