Manfred Mixner, Die Generalin

manfred mixner, die generalinFür einen gelungenen Roman braucht es meist Material und einen Standpunkt. Die Reife des Schriftstellers zeigt sich mit zunehmendem Lebensalter daran, dass ihm das Material ziemlich Wurst ist, er um den Standpunkt aber ringt wie um das Leben.

Manfred Mixner erzählt im Roman „Die Generalin“ vage die Geschichte eines Zeitzeugen, der nach dem Krieg geboren, sein Erwachsenwerden in der ländlichen Steiermark beschreibt. In den Miniaturen der Erinnerung sind viele Elemente einer örtlichen Chronik verarbeitet, aber im Wesentlichen geht es darum, aus den Pixeln der Erinnerung etwas Ganzes zu machen, das es vielleicht in dieser Form gar nicht gegeben hat.

Erzähltechnisch fußt dieses Erinnerungsgebäude auf dem Tagebuch eines alten Arztes, worin dieser die Zeit bis 1938 als Primar eines Sanatoriums und späterer Landarzt aufschreibt. Dabei versucht er nicht nur die Patienten, die es oft mit psychischen Leiden erwischt hat, zu sanieren, sondern durch das Tagebuch auch die ärgsten Verwundungen der Zeitgeschichte zu kurieren.

Der Ich-Erzähler bekommt dieses Tagebuch in den 1960er Jahren überreicht und arbeitet sich hellwach durch die Vergangenheit und die eigene Zeitgeschichte. Dabei hilft ihm ein Künstler namens Heiner, der von der Pieke auf das Leben gelernt hat, und handwerklich, intellektuell und politisch gebildet die Zeit als Betriebsrat des Lebens zu gestalten versucht hat.

Und der dritte Fundus für ein reflexiv gestaltetes Leben ist die eigene Erfahrung, die vom Fischen, Wandern über das Lesen hineinreicht in die Welt der Erotik. Der erste Kuss entsteht nicht zufällig aus der Leichtigkeit des Humors, den eine Studentin dem jungen Ich-Erzähler angedeihen lässt. Ehrensache, dass sie später Bibliothekarin wird und die Welt der Aufzeichnung und Phantasie in Ordnung hält.

Am Beispiel der Generalin zeigt sich auch, wie Wirklichkeit, Vorstellung und Erzählung in einander übergehen. Als Generalin wird im Volksmund ein Berg bezeichnet, der in Landkarten als Generalkogel aufscheint. Wie bei allen markanten Gebirgen gibt es auch eine Sage dazu, die Generalin soll gegen die Türken weitergekämpft haben, als ihr Mann, der General, schon gefallen war. Im Landesarchiv lässt sich ebenfalls eine Generalin finden, es bleibt aber offen, ob diese historische Person etwas mit dem Felsen des Erinnerungsmassivs zu tun hat.

Wenn ich erzähle, verliere ich mich in Bildern, Tönen, Konstellationen, die ich in eine Gleichzeitigkeit schieben. (83)

Manfred Mixner geht es letztlich um die Kunst des Lebens, die im Herbst mit der Kunst des Erzählens zusammenfällt. Immer wieder kommen kleine Einschübe zum Vorschein, die unaufdringlich von jenen Wahrnehmungshöhepunkten erzählen, die vielleicht aufzucken, wenn man eine Münze umdreht und sich eine völlig neue Währung auftut. „Ich habe das Ganze meiner Vergangenheit vergessen“, heißt es beruhigend, und das befreite Ich wird mit einer anderen Welt belohnt.

Ich habe mir eine Welt erfunden, in der ich noch nie war. Wie vertraut mir das alles jetzt ist, nachdem ich es aufgeschrieben habe.

Manfred Mixner, Die Generalin. Roman
Graz: Edition Keiper 2017, 165 Seiten, 20,00 €, ISBN 978-3-903144-35-4

 

Weiterführende Links:
Edition Keiper: Manfred Mixner, Die Generalin
Wikipedia: Manfred Mixner

 

Helmuth Schönauer, 31-10-2017

Bibliographie

AutorIn

Manfred Mixner

Buchtitel

Die Generalin

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Keiper

Seitenzahl

165

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-903144-35-4

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Mixner, geb. 1947 in Graz, lebt in Südschweden.