Thomas Northoff, Krank

thomas northoff, krankMarkante Lyrik punktet oft durch einen eleganten Duktus, mit dem die poetischen Schleifen durch das Gelände aus Visionen, Befindlichkeiten oder Naturresten gelegt ist.

Bei Thomas Northoffs Lyrikband „Krank“ könnte man vielleicht von einem markanten Interruptus sprechen, mit dem die Wörter wie Sargnägel über das Leben gehustet werden. Die einzelnen Zeilen sind spitze Fügungen und Flashes, die von einem lyrischen Individuum ausgestoßen werden, gleichzeitig aber auf diese geduckte Seele eindreschen.

Der große Mahlstrom von „krank“ nimmt in seinem Untertitel auf diesen Transfer von Eindrücken Bezug, Ein- und Ausbildungen geben dem Subjekt und seiner Umgebung kaum eine Chance, längerfristig in Verbindung zu bleiben. Schroff sind diese gebellten Formulierungen, verkürzt wie Hilferufe, wobei die Verbindung immer wieder abreißt.

In sieben Kapitel erfährt der lyrische Held, der als „Geher“ auftritt, wie sich die Welt verändert, während sein Körper immer hinfälliger wird. Die Welt verklumpt immer mehr zu einem Thorax, dem man mit Röntgenbildern oder Drainagen beizukommen gedenkt. Das Ambiente verengt sich bald auf ein Klinikareal, die Einschubröhren werden immer enger, am Schluss werden auch die Gedanken eng ans Bett herangeführt, aus dem immer wieder Besserungsformeln und Ermunterungen abgesondert werden.

„Sterben lehrt leben“ (26) heißt es zwischen Einlauf und der Pflege der Zahnprothese. Der Geher überlebt den Übermut, mit dem die ersten Schritte nach einem Eingriff gesetzt werden, nur knapp. Der Spitalspark wird in kurzen Sätzen angebellt, während die Spaziergänge in Krankenberichte münden. Reha und Therapien sind die ersten Erinnerungsflecken, die einen größeren Zusammenhang ergeben. „Cogito, also bimbim“, (86) sagt sich der Geher und tritt in eine neue Lebensphase. Die Außenwelt tritt in Gestalt von Abendnachrichten ins Fernsehzimmer, politische Figuren bewegen sich seltsam und stoßen dabei allerhand sinnloses Zeig aus.

Der lyrische Held träumt von einer Hund-zu-Hund-Beatmung, während er am Tintenfass eines Sees sitzt, um die Natur in Reha-Zügen zu genießen. Draußen sind Boote mit Narzissen unterwegs. Die alte politische Widerstandskraft tritt noch einmal zu Tage unter Tracht und Brauchtum. Ja seavus griaßdi, Dorftrottel, echt Tracht. (130)

Ja, sagt der Geher, / ich schaue der Sonne / beim Untergehen zu, / lebensabendprivilegiert. (133)

Thomas Northoffs „krank“ ist eine Implosion des Ausnahmezustands. Je wilder sich die Welt geriert, umso enggepresster verkriecht sich das Individuum. Es ist eine fast idyllische Welt, alles ist verziehen, während rundherum die Luft ausgeht.

Thomas Northoff, Krank. Ein- und Ausbildungen im Leben, Lyrik der Gegenwart 72
St. Wolfgang: Edition Art Science 2017, 167 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-902864-79-6


Weiterführende Links:
Edition Art Science: Thomas Northoff, Krank
Wikipedia: Thomas Northoff

 

Helmuth Schönauer, 20-12-2017

Bibliographie

AutorIn

Thomas Northoff

Buchtitel

Krank. Ein- und Ausbildungen im Leben

Erscheinungsort

St. Wolfgang

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Art Science

Reihe

Lyrik der Gegenwart 72

Seitenzahl

167

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-902864-79-6

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Northoff, geb. 1947 in Wien, lebt in Wien.