Samuel Schirmbeck, Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen

samuel schirmbeck, der islamische kreuzzug„Für die Intellektuellen am nördlichen Ufer des Mittelmeeres ist Religion ein Wort wie Philosophie, Weltall, Universum oder Liebe. Sie haben nie erlebt, was es bedeutet, wenn das Wort Religion die Worte Philosophie, Weltall, Universum oder Liebe erdrückt.“ (S. 22)

Als langjähriger Nachrichtenkorrespondent in Algerien berichtet Schirmbeck von den grundlegenden Veränderungen in der arabischen Welt aber auch in Europa, die der sich ausbreitende islamische Fundamentalismus mit sich bringt.

Im Eingangskapitel „Hat alles nichts mit dem Islam zu tun?“ wird das Spannungsfeld in der Auseinandersetzung mit dem religiösen islamischen Fundamentalismus zwischen Islamismus-Kritikern in den arabischen Ländern, welche dessen Intoleranz und Gewaltbereitschaft kritisieren und Verteidigern des Islam, welche vor allem die Religionsfreiheit einfordern und Kritiker rasch in ein rechtes Eck stellen. Vor allem mit der Bezeichnung „Islamophobie“ ist es gelungen, jede Kritik als „rassistisch“ abzuwehren.

In den arabischen Ländern verläuft die Kritik an fundamentalistischen Auswüchsen des Islam wiederum in eine andere Richtung und versucht vor allem die Fesseln der Religion im Bereich des Rechts und des Alltagslebens zurückzuweisen und als Ursache für den „desolaten Zustand der islamischen Zivilisation“ verantwortlich zu machen, wie es im „Manifest der Freiheiten / Manifeste des Libertés“ (S. 41) zum Ausdruck kommt.

Die weiteren Kapitel gehen der Frage nach inwieweit die intoleranten und menschenfeindlichen Züge des Islamismus doch im Islam und seinen Schriften grundgelegt ist oder zumindest Anknüpfungspunkte finden lässt. Dabei verweist Schirmbeck auf die Programmatik Hassan al-Bannas, des Gründers der Muslimbruderschaft aber auch auf die Erklärung der Menschenrechte im Islam, die sich auf die Scharia gründet und von 57 Staaten unterschrieben worden ist und in dem zum Beispiel die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen oder zwischen den Religionen perpetuiert wird.

Im Kapitel „Die Hängebrücke oder von der Grausamkeit des Alltagsislam“ wird anhand von zahlreichen Alltagsgeschichten von nordafrikanischen Frauen und Männer über die praktischen Auswirkungen der zunehmenden Islamisierung berichtet. Weitere Kapitel des Buches sind u.a. „»Islamophobie« aus deutscher und algerischer Sicht“, „Der finstere Islam der Islamverbände“, „Amina oder der nackte Widerstand“ oder „Eine wert(e)lose Linke als Komplize des Islamismus-Islam“ und „Ratsloses Europa?“

Sachlich, informativ und dennoch emotional bringt Samuel Schirmbeck seine jahrelangen Erfahrungen und Erlebnisse in Algerien und Marokko in seine Darstellung ein und thematisiert die dramatischen Veränderungen während der letzten dreißig Jahre in der islamischen Welt. Überaus kritisch beurteilt er die Auseinandersetzung mit dem Islamismus in Europa, wo Kritik vor allem von Seiten linker und grüner politischer Gruppierungen und von Islamverbänden als „rassistisch“ und „Islamophob“ abgestempelt werden. Kritisiert wird auch, dass damit vor allem liberalen Bewegungen in den islamischen Ländern, die sich für Frauenrechte, Religionsfreiheit u.a. einsetzen, in den Rücken gefallen wird, anstatt diese zu unterstützen.

Samuel Schirmbecks überaus empfehlenswertes Buch gelingt es einen interessanten Einblick in eine überaus komplexe, von Vorurteilen und Unterstellung durchzogene Diskussion zu bringen. Dabei richtet er den Blick ganz speziell auf die wenig wahrgenommenen Vertreter kritischer Muslime, die sich der Aufklärung und Zurückdrängung von Religion aus dem gesellschaftlichen Leben verpflichtet fühlen.

Samuel Schirmbeck, Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen. Warum wir eine selbstbewusste Islamkritik brauchen
Zürich: Orell Füssli Verlag 2016, 288 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-280-05636-3

 

Weiterführende Links:
Orell Füssli Verlag: Samuel Schirmbeck, Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen
Wikipedia: Samuel Schirmbeck

 

Andreas Markt-Huter, 01-10-2019

Bibliographie

AutorIn

Samuel Schirmbeck

Buchtitel

Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen. Warum wir eine selbstbewusste Islamkritik brauchen

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Orell Füssli Verlag

Seitenzahl

288

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-280-05636-3

Kurzbiographie AutorIn

Samuel Schirmbeck studierte bei Horkheimer und Adorno Soziologie und Philosophie. Anschließend arbeitete als Redakteur bei der französischen Nachrichtenagentur "Agence France Presse" (AFP) in Paris. 1991 baute er das ARD-Fernsehstudio in Algier auf und berichtete zehn Jahre lang über den algerischen Bürgerkrieg und die Entwicklungen in Marokko und Tunesien. Er war damit der erste westliche Dauer-Fernsehkorrespondent in Algerien.