Catherine Nixey, Heiliger Zorn in

heiliger zorn„Die Klöster haben umfangreiches klassisches Wissen bewahrt. Aber das ist längst nicht die ganze Wahrheit. Im Grunde lenkt sie sogar von dem ab, was vorher geschehen war und was die Kirche in ein weit weniger glorreiches Licht rückt – schließlich war es die Kirche gewesen, die die antike Kultur vernichtet hatte, bevor sie Anstalten machte, sie zu bewahren. (S. 19)

Das ursprünglich als Reisebericht durch die antike Welt des Philosophen Damaskios konzipierte Buch konnte durch die Ereignisse in Syrien, wo das islamische Kalifat das Land kontrollierte und antike Kulturdenkmäler zerstörte, nicht umgesetzt werden. Stattdessen wurde das Buch zu einem historischen Reisebericht, in eine Zeit, in der bereits einmal antike Kultur durch religiöse Fanatiker zerstört worden war.

Catherine Nixey gestaltet ihre historische Reise als Erzählung über Ereignisse, welche die Leserinnen und Leser durch Raum und Zeit führen. Mit dem häufigen Wechsel zu verschiedenen Orten und Zeiten gelingt es sehr geschickt einen erzählerischen Spannungsbogen aufzubauen und damit die ungeheuerliche Zerstörungskraft der christlichen Eiferer am Ende der Antike anschaulich zum Ausdruck zu bringen.

Gezeigt wird, wie Endzeitstimmung und Anspruch auf absolute Wahrheit, seit der Anerkennung des Christentums durch Kaiser Konstantin um sich greifen. Andere Religionen, Kulturen, vor allem aber künstlerisches und philosophisches Denken, das mit dem Christentum in Widerspruch stehend betrachtet wurde, werden zunehmend in die Defensive gedrängt und am Ende verboten und ausgelöscht.

Die Zerstörung von „heidnischen“ Tempeln und Statuen, das Verbrennen von Werken antiker Schriftsteller ging dabei der Verfolgung und Tötung von Menschen voraus. Wobei sich in früheren Zeiten viele Christen danach sehnten als Märtyrer zu sterben, um direkt in das Himmelreich zu gelangen. Die größte Zerstörungskraft ging aber von einem Desinteresse der christlichen Schreiber für das antike Denken und die antike Kultur aus. Pergamenten mit wertvoller antiker Literatur wurden die Texte abgeschabt und mit religiöser Literatur überschrieben. Man geht davon aus, dass nicht einmal zehn Prozent der literarischen antiken Werke die Zeit der Spätantike und des Mittelalters überstanden haben.

Catherin Nixey gelingt es mit viel Hintergrundwissen einen häufig ausgeblendeten Aspekt des frühen Christentums in das Scheinwerferlicht der Geschichte zu stellen und damit dem gängigen Bild von den verfolgten Christen in der Spätantike eine neue Erzählung gegenüberzustellen, in der die Christen aber nicht mehr als Opfer, sondern als fanatische und intolerante Täter auftreten. Damit schließt sich am Ende der Kreis der Gewalt und Zerstörungswut der von religiösem Fundamentalismus ausgeht und bis in die Gegenwart fortwirkt.

Ein überaus empfehlenswertes und angenehm lesbares Sachbuch über einen wenig bekannten Aspekt der Geschichte des frühen Christentums, der bewusst auch bei den Leserinnen und Lesern Analogien mit der Gegenwart bewirkt.

Catherine Nixey, Heiliger Zorn. Wie die frühen Christen die Antike zerstörten, übers. v. Cornelius Hartz [Orig. Titel: The Darkening Age]
München: Deutsche Verlags Anstalt 2019, 400 Seiten, 25,70 €, ISBN 978-3-421-04775-5

 

Weiterführende Links:
Deutsche Verlags Anstalt: Catherine Nixey, Heiliger Zorn
Wikipedia: The Darkening Age

 

Andreas Markt-Huter, 12-12-2019

Bibliographie

AutorIn

Catherine Nixey

Buchtitel

Heiliger Zorn. Wie die frühen Christen die Antike zerstörten

Originaltitel

The Darkening Age

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Deutsche Verlagsanstalt DVA

Übersetzung

Cornelius Hartz

Seitenzahl

400

Preis in EUR

25,70

ISBN

978-3-421-04775-5

Kurzbiographie AutorIn

Catherine Nixey hat an der Cambridge University Altphilologie studiert und mehrere Jahre lang unterrichtet, bevor sie in London Journalistin für The Times wurde.