Isabella Feimer, Tiefschwarz zu unsichtbar

Tiefschwarz zu unsichtbarDas Geheimnis magischer Wörter liegt oft in ihrem Verhältnis, wie sie zueinanderstehen. Tiefschwarz und unsichtbar ist nicht mit einer Gleichwertigkeit verbunden, sondern das unsichtbar ist zu übersteigert, sodass es vielleicht auch das Tiefschwarz mit sich reißt ins Unsichtbare.

Isabella Feimer stellt in ihren Gedichten poetische Schlüsselbegriffe immer in einen seltsamen Zusammenhang, manchmal frisst ein Begriff den umstehenden auf, dann übersteigert er ihn wieder, ehe sich dann etwas völlig Unerwartetes auftut wie in der Eingangszeile des ersten Gedichtes „erstickende Eintracht“. (7)

Unter dem Licht von „Tiefschwarz zu unsichtbar“ tauchen Kinder auf, die für Augenblicke unbefleckt sind, Trugbilder verkriechen sich in ausgetrockneten Leibern, ehe sie dann zu Staubresten und tatsächlichem Staub werden. Eine dunkle Materie entlässt am Schluss des Gedichtes Fliegen, Käfer und Ungeziefer, die in einer Asche von Champagner getränkt sind im Nachschlag zu einer erotischen Sitzung.

In den Fluss der Gedichte sind fettgedruckte Markierungen gerammt, Das ewige Herz (31), Bergschatten (39), Dreiundsiebzig Quadratmeter (57), This is a love song (57), Ich bin Europa (74), Kleine Geister (84). Diese Überschriften markieren recht gut den lyrischen Strom, der von der intimen Begegnung über die Idylle des Gebirges schräg durch eine Kleinwohnung pathetisch nach Europa fließt, ehe ihn die Prosasammlung von kleinen Geistern ausbremst.

In der zu Prosagedichten zerknüllten Sammlung von Kleinkram und Klein-Gefühlen kann ein Augenblick die Einrichtungsgegenstände eines Zimmers einfrieren zu einer kompakten Notiz, ein weggesperrtes Tagebuch der Erinnerung taucht wieder auf, und das lyrische Ich verwandelt sich in Sekundenschnelle zu einem Kobold, der fremde Seelen stiehlt.

Am dichtesten sind die Gedichte in der Kleinzimmerwohnung, mit jeder Zeile ahnt man, dass hier die Dinge hineingepresst sind wie ein schlechter Lebenssinn.

Wo soll ein Mensch hin, / wenn er keinen Platz mehr im Leben hat? (51)

Und selbst jener Abschnitt, der die tolle Liebe zeigen soll, ist von einem Warnschild begleitet, dass es sich hier um einen Love Song handelt:

Lieber / neben / dem Herz / stehen (68)

Manfred Poor passt sich diesen Warnungen vor großen Songs, schmutzigen Flüssen und einem zu großen Europa an, indem er in Schwarzbildern kleine Strukturen an die Fotooberfläche holt, mikroskopisch kleine Zellen, eine in Edelgravur ausgekratzte Heiligenfigur, ein bodenloses Firmament mit eingefrorenen Vogelflug-Tropfen.

ich fragte, wie heißt das Ding, in dem man sich sieht, / du wolltest mich küssen, ich wich aus, wich zurück, / wich von deiner Seite, zurück in mein Zimmer, in das / Bett, mein Blick auf die kahle Wand gerichtet, / gläserner Wandverbau, / verstaubtes Tagebuch, / reizlose Erinnerung / ja, dachte ich, ein Mikroskop. (91)

Isabella Feimer, Tiefschwarz zu unsichtbar. Gedichte. Mit zehn Fotografien von Manfred Poor.
Innsbruck: Limbus Verlag 2017, 93 Seiten, 13,00 €, ISBN 978-3-99039-113-6

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Isabella Feimer, Tiefschwarz zu unsichtbar
Homepage: Isabella Feimer
Homepage: Manfred Poor

 

Helmuth Schönauer, 23-02-2018

Bibliographie

AutorIn

Isabella Feimer

Buchtitel

iefschwarz zu unsichtbar. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Limbus Verlag

Illustration

Manfred Poor

Seitenzahl

93

Preis in EUR

13,00

ISBN

978-3-99039-113-6

Kurzbiographie AutorIn

Isabella Feimer, geb. 1976 in Schwechat, lebt in Wien.

Manfred Poor, geb. 1960 in Wolfsberg, lebt in Wien.

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