Christian Moser-Sollmann, Tito, die Piaffe und das Einhorn

christian moser-sollmann, titoDie größte Integrationskunst ist dann gefragt, wenn es ein Mensch aus den Bundesländern in der Wiener Bobo-Szene mit anderen Bundesländer-Menschen zu tun kriegt.

Christian Moser-Sollmann weiß als gebürtiger Osttiroler in Wien, wovon er spricht. Sein Roman vom tragisch-jammernden Ich-Erzähler Tito, der tröstlichen Bar Einhorn und der Piaffe, einer ungezähmten Gangart des Pferdes, ist eine angespannte Liebesgeschichte, welche die herumlavierenden Protagonisten ordentlich fordert.

Tito hängt afterworkig im Einhorn herum und ist letztlich nur froh, „dass wenigstens die dummen Nullerjahre vorbei sind“. (12) Er arbeitet in der Medienbranche und muss vor allem für dumme Politiker mit der Hirngröße einer Nuss diverse Studien und Gutachten umschreiben. Vereinfachung und Beschönigung sind die zwei Grundpfeiler des öffentlichen Talks, und dieses Muster zieht sich auch durch das Privatleben.

Privatleben heißt für einen Aufsteiger aus der Provinz, dass er sich durch alles durchschläft, was zumindest Beine hat. Die abgearbeiteten Abende werden dann an der Bar besprochen. Momentan aber muss sich Tito mit einer Standardstudentin begnügen, die Sex als Arbeit empfindet. Dementsprechend isoliert sitzt der Held meist auf einem ungepolsterten Barhocker und spielt Einsamkeit mit Meditation.

Dann kommt es endlich zur lebens-tollen Begegnung mit der Tirolerin, die an der Uni eine Arbeit über Kampfmaßnahmen laufen hat. Unsterbliche Beziehung, hin- und herziehen, Wohnung suchen, ständig im Netz teilen, dass man glücklich ist, so eine Liebe ist schon im Umfeld hektisch, da sind sich die Körper noch nicht einmal nahegekommen.

Und noch während der Einkaufstouren für das Mobiliar der Zukunft zerbricht diese Liebe an der Realität. Das Vorleben der Tirolerin ist krass, denn sie hat mit fast allen geschlafen, die auch Tito kennt. Das Ganze erweist sich als Affäre in einer speziellen Blase für Provinzler. Schließlich stellt sich heraus, dass sich sogar die Eltern in Tirol schon bestens kennen. Tito ist also in die Hauptstadt geflüchtet, um eine Sandkisten-Beziehung ums Eck einzugehen.

Wie kommt man in Zeiten von Smalltalk und Facebook-Teilen aus dem Schlamassel heraus? Durch Therapie! - Das Problem ist freilich, dass der Held keine vernünftige Sitzung zusammenbringt, weil er die Therapeutinnen sofort mit Sex bestürmt.

Der Tito-Roman erzählt heldenhaft von einem Provinzler, der in einer flachen Aufsteigerwelt außer Atem gerät. Im Wiener Bobo-Kosmos die vier Himmelsrichtungen zu finden ist eben etwas anderes als zu Hause vier Berge zu besteigen. - Wunderschöne Satire gewälzt in einer Marinade aus Selbstmitleid.

Christian Moser-Sollmann, Tito, die Piaffe und das Einhorn. Roman
Wien: Dachbuch Verlag 2017, 284 Seiten, 19,99 €, ISBN 978-3-9504426-2-5


Weiterführende Links:
Dachbuch Verlag: Christian Moser-Sollmann, Tito, die Piaffe und das Einhorn
Wikipedia: Christian Moser-Sollmann

 

Helmuth Schönauer, 04-05-2018

Bibliographie

AutorIn

Christian Moser-Sollmann

Buchtitel

Tito, die Piaffe und das Einhorn

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Dachbuch Verlag

Seitenzahl

284

Preis in EUR

19,99

ISBN

978-3-9504426-2-5

Kurzbiographie AutorIn

Christian Moser-Sollmann, geb. 1972 in Thurn, lebt in Wien-Meidling.