Ruud Koopmans, Das verfallene Haus des Islam

ruud koopmans, das verfallene haus des islam„Dieses Buch ist islamkritisch, aber nicht islamfeindlich. Jeder, der nicht zwischen Kritik an einer Religion – oder besser gesagt: an ihrer derzeit dominierenden Interpretation – und Rassismus unterscheiden kann, sollte dieses Buch beiseitelegen.“ (S. 9)

Ruud Koopmans geht den Schwierigkeiten bei der Integration von Migrantengruppen aus islamischen Ländern nach, die in Europa eingewandert sind und zeigt auf, dass sich viele Hindernisse für eine erfolgreiche Integration muslimischer Migranten auf die Religion zurückführen lassen.

Zunächst weist der Autor darauf hin, dass die öffentliche Debatte über den Islam mittlerweile überaus polarisiert stattfindet. Dabei ist er sich bewusst, dass seine kritische Analyse sowohl von Seiten fundamentalistischer Muslime als auch von Seiten jener, die den Zustand der islamischen Welt auf unveränderliche Merkmale der Religion zurückführen, wenig Anklang finden wird.

In sieben Kapiteln wird aufgezeigt, welche Entwicklung der religiöse Fundamentalismus während der letzten vierzig Jahre genommen hat und welche Folgen für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung der islamischen Welt sich daraus ergeben haben.

In einem kurzen historischen Rückblick wird aufgezeigt, wie die islamische Welt seit Beginn der Neuzeit zunehmend den Anschluss an die fortschreitende Entwicklung in Europa verliert. Als eine Ursache dafür nennt Koopmans den „Mangel an Anpassungsfähigkeit“ (S. 18) des Islam, der in seinen Anfängen durchaus attraktive Angebote im Vergleich zu anderen Religionen offerieren konnte, wie z.B. Toleranz gegenüber Christen und Juden oder einem Erbschaftsanspruch von Frauen.

Im Gegensatz dazu haben islamische Länder in allen Teilen der Welt den Anschluss verloren, sei es in wirtschaftlich technischen Belangen, sei es in Bezug auf die Rechte von Frauen und Homosexuellen oder der demokratischen Entwicklung der Gesellschaft.

Als großer Wendepunkt für die Ausbreitung des Fundamentalismus wird das Jahr 1979, wo einerseits im Iran nach dem Sturz des Schahs eine islamische Republik gegründet wurde und andererseits in Saudi-Arabien ein Aufstand gegen die Königsfamilie zu einer Stärkung des Wahhabismus, eine „ultra-konservative Form des Islam“ (S. 26) gekommen war. Seither wird eine große Anzahl an besonders konservativen Moscheen und Imamen in Europa mit saudischen Geld finanziert.

Neben den geschichtlichen Grundlagen wird den Fragen nachgegangen, was islamischer Fundamentalismus eigentlich ist, welcher Zusammenhang mit der Religion besteht, warum die Demokratisierung an den islamischen Ländern weitgehend vorbeigegangen ist und welche Rolle dabei dem Erbe der kolonialen Vergangenheit und dem Ölvorkommen in vielen islamischen Ländern zukommt.

Die folgenden Kapitel setzen sich mit den religiösen Wurzeln der Unfreiheit, den islamischen Religionskriegen, der wirtschaftlichen Stagnation der islamischen Welt und der schwierigen Integration muslimischer Migranten in die europäischen Gesellschaften auseinander. Am Ende werden die drei Kernprobleme der religiösen Wurzeln der islamischen Krise und mögliche Wege aufgezeigt, wie sich der Islam von seinem Fundamentalismus befreien könnte.

Ruud Koopmans gelingt es, gegenwärtige Konflikte mit dem islamischen Fundamentalismus sowohl in der islamischen Welt als auch in Europa verständlich zu analysieren und klar zu benennen. Dabei weist er bewusst den „irreführenden Diskurs der Islamophobie“ als „eine Umkehrung von Ursache und Wirkung sowie von Opfer- und Täterschaft“ (S. 239) zurück, mit der die Außenwelt für alle Defizite verantwortlich gemacht und von notwendige Reformen abgelenkt werden soll.

Ein überaus informatives und wichtiges Sachbuch zu einem gegenwärtigen Spannungsfeld im Bereich der Integration in Europa, das durch sein reiches Hintergrundwissen und seine verständliche Vermittlung zu überzeugen weiß.

Ruud Koopmans, Das verfallene Haus des Islam. Die religiösen Ursachen von Unfreiheit, Stagnation und Gewalt
München: C.H. Beck Verlag 2020, 288 Seiten, 22,70 €, ISBN 978-3-406-74924-7

 

Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Ruud Koopmans, Das verfallene Haus des Islam
Wikipedia: Ruud Koopmans

 

Andreas Markt-Huter, 13-07-2020

Bibliographie

AutorIn

Ruud Koopmans

Buchtitel

Das verfallene Haus des Islam. Die religiösen Ursachen von Unfreiheit, Stagnation und Gewalt

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2020

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

288

Preis in EUR

22,70

ISBN

978-3-406-74924-7

Kurzbiographie AutorIn

Ruud Koopmans ist ein niederländischer Sozialwissenschaftler und Direktor der Abteilung "Migration, Integration, Transnationalisierung" am Wissenschaftszentrum Berlin sowie Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er nimmt daneben wichtige beratende Funktionen wahr, etwa als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.