Thoger Jensen, Ludwig

thoger jensen, ludwigZwischen Musikalität und Logik entstehen oft beinahe soziologische Kräfte, welche die Helden herumstoßen wie Billardkugeln oder Noten von Johann Sebastian Bach.

Thoger Jensen hat mit „Ludwig“ einen knappen Roman komponiert, der die inneren Kräfte der Bachschen Inventionen freilegt und worin die Helden in großer Gelassenheit letztlich das Glück an sich gewähren lassen.

Wer einmal als Kind oder später zum Klavier-Sitzen verdammt worden ist, wird natürlich die Ordnung dieses Romans auf Anhieb verstehen. Die sogenannten Inventionen bestehen aus fünfzehn Übungsstücken, die rein keine andere Absicht haben, als den Schüler zu be-üben. Dennoch sind sie grandiose Musik, die man wahlweise an einer Nummer aufschlägt, um zu üben.

Der Held Niels Winckler nimmt eines Tages die Lebensplanung offensiv in die Hand und beschließt, bis zum vierzigsten Geburtstag die Inventionen zu beherrschen. Da er schon im fortgeschrittenen Alter ist, hat er nicht mehr viel Zeit. So übersiedelt er auch vom dänisch flachen Land in die ebenfalls ziemlich flache Stadt Arhus. Dort erledigt er bei seinem Klavierlehrer die Gartenarbeit, die mindestens so eine Kunst ist wie das Klavierspiel.

In knapp neunzig Verschränkungen wird nun der Alltag des angehenden Meisters aufgerollt wie eine Partitur. Die einzelnen Prosa-Zellen passen fast immer auf eine frische Seite und sind mit Ziffern zwischen eins und dreizehn überschriftet, einmal heißt es bei acht, dass heute die achte Invention geübt wird.

Die einzelnen Sequenzen können in eine tatsächliche Übungseinheit führen, sie verselbständigen sich aber meist und geben eine konkrete Invention des Lebens wieder, die der Held an diesem Tag üben muss.

Bei dieser Gelegenheit tauchen allerhand liebenswerte Gesichter auf, die offensichtlich zur Klavierstunde eilen. Held dieser Garten-Community ist der Hund Ludwig, der dem Fräulein Hanne gehört, die einen Alfa Romeo fährt wie in einem Film. Obwohl der Hund schrecklich eifersüchtig ist, gelingt so manche Ausfahrt. Höhepunkt dieser Ausflüge ist eine Reifenpanne, die vor allem deshalb gut ausgeht, weil die Frau ziemlich forsch fährt und so den Wagen auch noch mit drei Rädern auf der Straße halten kann. (77)

Das Glück ist mit Händen zu begreifen, wenn man es formulieren kann. Schon Charlie Brown hat in seinen Comics-Streifen voller Weisheit festgestellt, dass man zum Glücklichsein einen Swimmingpool und einen Sportwagen braucht, sonst nichts. (49)

Das Klavierspiel entwickelt sich so halbwegs. Niels fragt, ob es für eine Aufnahme ins Konservatorium reichen würde, aber der Klavierlehrer führt ihn wieder auf den Boden der Realität zurück, es sei für ein gelungenes Leben nicht notwendig, aufs Konservatorium zu gehen. Und wenn er ein Stück sensationell gut beherrschte? Das würde ihn auch nicht retten, in der Musik herrschen strenge Gesetze.

So versucht der Held, mit einem musikalischen Anspruch die Gartenwelt zu pflegen und die Natur in ihrer Poesie zu dechiffrieren, wie eine Bachsche Zwischeneinlage.

Die Gänse, die Anfang März direkt über dem Nebel fliegen. Musik auf Durchzug. Hören ja, aber nicht sehen. Ohne Noten spielen. So muss es sein, wenn man blind ist. Die frühen Morgen, sonnabends und sonntags, sind die besten in einer Stadt. (20)

Die einzige Irritation in dieser Idylle bleibt der Hund. Ludwig hat ständig ein eigenes Programm. Wenn Frauchen nicht da ist, schwingt er sich zu melancholischem Gejaule auf. Dann muss Niels hinausgehen mit dem Spaten und im Garten die Kacke einarbeiten. - Wunderbar!

Thoger Jensen, Ludwig. Roman. A. d. Dän. von Gerd Weinreich [Orig. Kopenhagen 2004]
Graz: Droschl Verlag 2018, 94 Seiten, 17,00 €, ISBN 978-3-99059-018-8

 

Weiterführende Links:
Droschl Verlag: Thoger Jensen, Ludwig
Wikipedia: Thoger Jensen

 

Helmuth Schönauer, 12-08-2018

Bibliographie

AutorIn

Thoger Jensen

Buchtitel

Ludwig

Originaltitel

Ludwig

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Droschl Verlag

Übersetzung

Gerd Weinreich

Seitenzahl

94

Preis in EUR

17,00

ISBN

978-3-99059-018-8

Kurzbiographie AutorIn

Thoger Jensen, geb. 1960 in Naesbjerg, lebt in Naesbjerg.