Wolf Haas, Junger Mann

wolf haas, junger mannDie Literatur von Wolf Haas ist eigentlich eine Tournee, bei der als Benefit für die Leser die Romane verteilt werden. Wenn jemand geh-schwach ist, kann er sich die Tournee auch ins Haus schicken lassen, eingehüllt in den Roman kommt ein Lesezeichen zum Vorschein, auf dem die wichtigsten Lesungen des Wolf Haas aufgezählt sind.

Erfurt, Berlin, Hamburg, Wien: Das Lesezeichen erinnert an einen ICE-Plan, an dessen Umsteige-Knoten zu gewissen Terminen der Wolf Haas sitzt und vorliest. Bei ihm ist ausnahmsweise das Vorlesen nicht falsch, zumal der „Schreibstil“ oft sehr österreichisch mündlich ist. Und wenn man sich den Umschlag und alles kurz wegdenkt, sitzt man vielleicht mitten in einem Horvath-Stück. Alles könnte eine politische Anspielung sein, gleichzeitig ist alles ein rosarotes Trallala, das in tiefroten Ernst übergehen kann.

„Junger Mann“ ist eine Floskel, mit der man oberflächlich rein eine tiefere Sauerei ankündigt. Im Roman ist der Icherzähler wörtlich ein junger Mann um die dreizehn, der an und für sich einmal die Matura machen will aber jetzt in den Ferien seine Pubertät an der Tankstelle auslebt. Die Arbeitshandgriffe sind schon sehr erwachsen, die Selbsteinschätzung noch nicht. Der Held fühlt sich mit 92 Kilo zu voluminös und teilt die Welt folglich ein in Fettspender und Fettverzehrer. Als die junge Frau Elsa mit dem jungen Mann ein bisschen anbandelt, ist es um das Selbstbewusstsein geschehen. Alles könnte eine Falle sein, denn in der Pubertät gibt es keine Ironie.

Die Ferien entpuppen sich als Läuterungszeit, die mit einer kleinen Prüfung beendet wird. Ein befreundeter Trucker und Mann der Elsa nimmt den Erzähler mit nach Griechenland, wo eine Landung abgeliefert werden soll. Als Meta-Reise erleben die beiden, was es wirklich heißt, on the road zu sein.

Im Endeffekt geht die Geschichte dann bestens aus. Der Trucker lässt sich doch den Krebs herausoperieren, seine Gattin Elsa liebt ihn mit Haut und Haar, und aus einem Zeitungsartikel erfährt man noch, dass auch die wild gezeugte griechische Tochter samt Mutter in den Familienverband aufgenommen werden. Und aus dem Erzähler ist ein mündlich denkender Romancier geworden, der neben zerbröselnden Krimis auch luzide Taugenichts-Geschichten zu schreiben vermag und das Publikum verhext, auch wenn es nicht zu seinen Lesungen kommen kann.

Neben der Freude, dass man in die Vergangenheit auch zwischendurch rosig zurückdenken kann, sind es dann die vielen Kleinigkeiten, die auf den Leser überspringen und diesen wichtig machen. Die Pubertät ist nicht gerade jene Zeit, an die man sich am liebsten erinnert. Wolf Haas freilich wirft einen durch-oxydierten Mantel über diesen Lebenskram, der einem die österreichische Zeit um 1974 herum mit Milde serviert. Schilling, Renault, autofreier Tag, Tankstelle als sonniger Sommerjob: alles ist hell und zukunftsfroh.

Beim zweiten Hinschauen kommen einem dann jene Sachen in den Sinn, die nicht erzählt sind, weil sie zwischen den Zeilen herausquellen wie eben diese mündlichen Sätze eines Horvath-Stückes, die ununterbrochen auf der Lauer liegen.

Wolf Haas ist ein abgeklärter Erzählmeister, der mit Grinsen diese rosaroten Punschkrapferl serviert, die wir alle seit Gerhard Fritschs Fasching so bunt im Magen liegen haben. Die Pubertät als Marzipanhölle, da kommt es auf ein paar Kilo mehr oder weniger nicht drauf an.

Wolf Haas, Junger Mann. Roman
Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag 2018, 237 Seiten, 22,80 €, ISBN 978-3-455-00388-8

 

Weiterführende Links:
Hoffmann und Campe Verlag: Wolf Haas, Junger Mann
Wikipedia: Wolf Haas

 

Helmuth Schönauer, 16-09-2018

Bibliographie

AutorIn

Wolf Haas

Buchtitel

Junger Mann

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Hoffmann und Campe Verlag

Seitenzahl

237

Preis in EUR

22,80

ISBN

978-3-455-00388-8

Kurzbiographie AutorIn

Wolf Haas, geb. 1960 in Maria Alm, lebt in Wien.