Isabella Feimer, Monster

isabella feimer, monsterDie wahren Monster humpeln nicht als wuchtige Gestalten über die Leinwand, sondern als amorphe Schreckgespinste durch die Seele.

So ist es durchaus logisch, wenn Isabella Feimers Erzählung „Monster“ eigentlich eine feine Liebesgeschichte ist, die allerdings immer wieder von dunklen Schattenflecken heimgesucht wird. Held und Ich-Erzähler ist der Fotograf Max, der aus therapeutischen Zwecken in der weiten Landschaft Amerikas unterwegs ist. Während er sein fotografisches Auge über die animierenden Landschaftskonturen schweifen lässt, wird das Innere angeregt. Ja, er ist auf der Flucht vor Elsa, mit der er eine Liebesbeziehung auf Gedeih und Verderben aufgebaut hat. Von Elsa sind ihm noch gut Sätze in Erinnerung, worin sein Verhalten als monströs beschreiben wird. Und der finale Kuss endet auch mit der Liebesformel: Du Monster!

Während die Landschaft vorbeizieht, gerät Max in einen Diskus mit sich selbst. „Ich suche das Brüchige festzuhalten.“ (20) Dabei wird das Seh-Programm des Fotografen über das Psycho-Programm seiner Identität gelegt. Reibereien zwischen den beiden Beobachtungs-Folien beginnen oft mit der Fügung: „Anstatt die Landschaft zu schauen [...]“, und dann kommt eine Abschweifung ins Innere.

Im Zustand zwischen Flucht und Reflexion ergeben sich mehrmals kalte Sex-Auftritte, die ansatzlos wie in einem Western aus der Hüfte heraus abgezogen werden. Eine Kellnerin serviert, beendet ihren Dienst und legt noch einen Stunt mit dem Gast hin, kurz und schmerzlos, und auf eine ungewöhnliche Art monströs. Vor allem die Geräuschlosigkeit, womit der Sex gleich in ein fertiges Bild übergeht, macht dem Helden anfangs ziemlich zu schaffen.

Max zieht weiter und verbindet die Bildeindrücke mit den Liebeseindrücken zu Elsa. Obwohl die Bilder klar und realistisch sind, sind sie in einem magischen Ambiente verankert, halb Kindheit, halb Märchen. Die Orte evozieren Träume, die Bilder zeichnen Wünsche auf, Elsa ist vielleicht eine Projektion, wenn sie immer wieder fragt, warum Pinguine nicht fliegen können.

Während dieser Auszeit on the Road wird der Held tatsächlich vielleicht ein anderer, zumindest kann er Teile seiner Blick-Theorie schon recht gut formulieren.

An einem Ort wie diesem musst du sehen lernen, musst die Realität deines Blickes neu erfassen, musst du auch das Tasten neu erlernen, bis du das Ertastete in seinem Wesen begreifen kannst, musst dir eine Perspektive richten, musst Farben neue Namen geben, musst erfahren, dass es keine Schatten gibt, dass Chaos Ordnung ist und der Tod eine Weggefährte. (84)

Isabella Feimer entwickelt mit diesem Fotografen-Max eine Ästhetik des Sehens und Liebens. Aus dem männlichen Okular heraus entwickelt sich dabei Elsa, die heimliche Heldin der Erzählung. Sie ist letztlich fein heraußen und eine ideale Person, die ihrem Produzenten stets Paroli bietet als heimliches Monster.

Als Leser hört man bei diesem Roman immer wieder Peter Handkes „Der kurze Brief zum langen Abschied“ mitschwingen. Die Welt hat sich seit 1972 vollends geändert, aber wenn ein von der Liebe angestochenes Ich durch die Weite Amerikas saust, klingt es an den „Schaustellen des Innehaltens“ immer ähnlich.

Isabella Feimer, Monster. Erzählung
Innsbruck: Limbus Verlag 2018, 94 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-99039-129-7

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Isabella Feimer, Monster
Homepage: Isabella Feimer

 

Helmuth Schönauer, 13-10-2018

Bibliographie

AutorIn

Isabella Feimer

Buchtitel

Monster

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

94

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-99039-129-7

Kurzbiographie AutorIn

Isabella Feimer, geb. 1976 in Schwechat, lebt in Wien.