Janusz Glowacki, Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein

Buch-Cover

Der öffentliche Sinn besteht oft darin, dass die skurrilsten Dinge scheinbar logisch miteinander zusammenhängen.

Im Unterhosenroman von Janusz Glowacki hängen über eine Tag und Nacht neu generierte Öffentlichkeit tatsächlich so völlig verschiedene Dinge wie Wäsche, Glück und Haustier zusammen.

Dabei ist es im modernen Marketing komplett logisch. Wenn man eine bestimmte Markenunterhose kauft, nimmt man an einer Lotterie teil und gewinnt auf jeden Fall ein Stück Erwartung, wenn nicht gar einen Preis.

Kopf dieses Glücksspiels ist ein Nachfahre des legendären Citizen Kane, ein gewisser J.J. Caine. Berühmt sind seine Unterhosen, welche die Anatomie des Hinterns als das Maß aller Dinge nehmen. Da ihm die größten Medien auf allen Kontinenten gehören, ist es J.J. Caine ein leichtes, seine Unterhosen zu Objekten der größten Begierde hoch zu stilisieren.

Der Roman ist wie die Pyramide einer Turnerriege aufgebaut, oben thront der Unterhosenheld, darunter sind die Biographien bloß dazu da, diese Karriere zu stützen und zu tragen. Ein besonders tapferer Karriereträger ist Kuba, ein genormter Allerwelts-Pole, der das große Unterhosenlos gezogen hat und deshalb Diener beim Medienmogul in Amerika geworden ist. Er erzählt ohne großen Schnickschnack, daß hinter jeder Unterhose eigentlich ein Mordsafter steckt, je höher die gesellschaftliche Platzierung, um so größer auch dessen Unterhosenbackground.

Im Stile debiler Vorabendserien von Reichen und Doofen kommen Leibwächter, Freundinnen, Geliebte und Fallengelassene zu Wort. Das Schwein schließlich flüchtet während des Liebesaktes, denn große Tiere sind immer auch etwas pervers und machen sich schon mal über echte Tiere her, wenn ihnen danach ist.

?Auf den ersten Blick sah Sonia aus wie eine gewöhnliche Sau. Doch dieser verletzende Eindruck verflüchtigte sich schnell. Es stellte sich heraus, dass sie überdurchschnittlich begabt fürs Schwimmen und Tanzen war. Sie hatte auch unzweifelhaft ein Talent als Designerin, ein exzellentes Gefühl für Farben, einen guten Geschmack, eine Fähigkeit, zueinander passende Stoffe auszuwählen und sich überraschende Kompositionen auszudenken.? (137)

Janusz Glowackis Roman ist eine großartige Groteske über Modewelt, Medienmonopole und Migrantenmythos, zeitlos angesiedelt zwischen Gegenwart und einrückender Zukunft. Das Perverse wird staatstragend, das Kontinentale läppisch und immer auch werden die Leser angesprochen und bei der Ehre ihrer Laster genommen. Denn wer von uns träumt nicht von einer guten Unterhose, einem Volltreffer in der Lotterie oder davon, einmal Schwein zu haben, wenn es auch nicht gleich Schwein Sonia sein muß.

Bei Janusz Glowacki handelt es sich eindeutig um Weltliteratur, zeitlos und ohne Nationalitätenfieber werden jene Themen unters Fixiermesser genommen, welche die Befindlichkeit der Welt ausmachen. Dass solch gute Literatur übersetzt in Innsbruck erscheinen darf, macht vieles wieder gut, was diese Stadt sonst an Primitivität aufführt. Denn man sollte nicht vergessen, Literatur schafft Realität, und Verlage schaffen mehr geistige Kaufkraft als an Börsen je gehandelt werden könnte.

Janusz Glowacki, Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein. Roman. A. d. Poln. von Albrecht Lempp.
Innsbruck: Skarabaeus 2004. 154 Seiten. EUR 19,-. ISBN 3-7082-3156-2.

 

Helmuth Schönauer 24-07-2004

Bibliographie

AutorIn

Janusz Glowacki

Buchtitel

Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Skarabaeus

Übersetzung

Albrecht Lempp

Seitenzahl

154

Preis in EUR

EUR 19,-

ISBN

3-7082-3156-2

Kurzbiographie AutorIn

Janusz Glowacki, geb. 1938 in Posen, lebt in New York.