Jens Beljan / Michael Winkler, Resonanzpädagogik auf dem Prüfstand

jens beljan, resonanzpädagogik auf dem prüfstand„Wir reden über Zweifel und Hoffnungen an der Resonanzpädagogik. Dabei erkunden wir das Wesen von Resonanz- und Entfremdungserfahrungen, thematisieren das Verhältnis zwischen Leistung und Resonanz im Bildungssystem, diskutieren über die Autonomie der Pädagogik und ihre Verortung gegenüber anderen Disziplinen, aber auch, was das spezifisch Neue an der Resonanzpädagogik ist.“ (S. 7)

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit der Resonanzpädagogik ist die Frage, ob sich die Schule zu einem besseren Ort des Lernens und Lehrens machen lässt. Aber auch der Umstand, dass sich an den Schulen ein deutlich spürbares Unbehagen beobachten lässt, der sich aus einer zu starken Betonung äußerer Anreize als Leistungsmotivation ergibt, der die soziale Komponente pädagogischer Arbeit zu kurz kommen lässt. Wo dabei Probleme auftreten und wie sich mit dem Ansatz der Resonanzpädagogik Veränderungen bewirken lassen, ist Thema dieses Buch.

In der Schule der Gegenwart dominiert ein Ressourcen-Maßstab, ein System, das darauf abzielt, die kognitiv messbare Leistung zu steigern. Dazu werden kleinteilige Evaluationssysteme eingeführt, die überprüfen, ob die verwendeten Produktionsprozesse auch den gewünschten Output erzielen und tatsächlich eine Leistungssteigerung gemessen werden kann. Aus ganzheitlicher Bildung, wird kognitives Lernen, der sich leichter fassen, abfragen und überprüfen lässt. Auf der Strecke bleiben Werte und Qualitäten, die sich nicht messen lassen, wie soziale Verantwortung, Empathie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Zufriedenheit. Entscheidend wird die Reproduktion des Wissens und nicht wie tief wir kulturelle Erfahrungen verarbeiten und anhand welcher Maßstäbe wir sie reflektieren.

Die bildungstheoretische Grundannahme der Resonanzpädagogik lautet:

Bildung ist keine Ressource, sondern eine Weltbeziehung (S. 12)

Es braucht andere Kriterien als Ressourcen, an denen sich Schulentwicklungspläne und Bildungsreformen orientieren sollten. Für die Resonanzpädagogik steht nicht die Steigerung des Outputs im Mittelpunkt, sondern die Interaktionsbeziehungen, die Qualität der Weltbeziehungen.

Kinder, Jugendliche und Lehrer können auf verschiedene Weise in die „Schulwelt gestellt und auf die Schulwelt bezogen sein“. Die Grundintuition der Resonanzpädagogik lautet:

Von der Qualität der Weltbeziehung hängt ab, ob Bildung und Schule gelingen oder misslingen. (S. 13)

Gelingt diese Beziehung, entsteht zwischen den Interaktionspartner eine ganz bestimmte Wechselwirkung: die Resonanz. Diese drückt unsere Beziehung zur Welt aus, deren Erscheinungen zu uns sprechen. Die erlebte Resonanz weckt unser Interesse an den Erscheinungen der Welt, an Mensch, Natur, Dingen und Gedanken.

Wenn im Klassenraum plötzlich etwas ins Rollen kommt, die Klasse ganz leise wird und lauscht oder sich eine lebhafte Diskussion entspinnt, dann werden solche Resonanzmomente im Unterricht greifbar. (S. 13)

Andere Weltverhältnisse als das der Resonanz sind die Repulsion, in denen sich Subjekt und Welt feindlich und die Indifferenz in denen sich Subjekt und Welt gleichgültig gegenüberstehen. Wenn in einer Schule Repulsion und Indifferenz zu einem Dauerzustand werden, entwickeln die Menschen ein Gefühl der Entfremdung, dass Schule nichts mit dem eigenen oder wirklichen Leben zu tun hat.

Das richtige Leben findet außerhalb der Schulmauern statt.
Der Verlust der Bindung kann zu Desintegration, Exklusion, Segregation und Desynchronisation führen.“ (S. 15)

Resonanzpädagogik geht somit weit über die Schüler-Lehrer-Beziehung hinaus und erstreckt sich auf das Verhältnis zu den Dingen, Gedanken, Materialien, Kunst, Kultur, Natur sowie Raum und Zeit – zu allem, wozu Menschen in Beziehung treten können. Die Weltbeziehung soll für den Unterricht fruchtbar gemacht werden.

Wenn wir die Schule zu einem besseren Ort des Lernens und Lehrens machen wollen, dann dürfen wir uns nicht allein auf die Steigerung der Lernleistung versteifen, wir müssen die Resonanzfähigkeit der Schule intensivieren. (S. 16)

In einem spannend zu lesenden Dialog zwischen den Pädagogen Jens Beljan und Michael Winkler wird den Leserinnen und Lesern an zahlreichen Beispielen, Gedanken und Überlegungen nähergebracht, was unter Resonanzpädagogik zu verstehen ist. Dabei wird bewusst der Erfahrungshorizont von Lehrern und Pädagogen angesprochen und die Ursachen für die zunehmende Unzufriedenheit von Schülern und Lehrern gedeutet.

Überaus erfrischend kommt die Methode des platonischen Dialogs zur Vermittlung von Fachwissen und komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen zur Anwendung. In verständlichen Worten kommen Themenbereiche und Spannungsfelder im schulischen Unterricht zur Sprache, die in der pädagogischen Literatur üblicherweise hinter einer psychologisierenden, mit Anglizismen überbordenden Fachsprache verschwimmen. Ein überaus empfehlenswertes und anregendes Buch, das viele Fragen aufwirft und neue Ideen eröffnet.

Jens Beljan / Michael Winkler, Resonanzpädagogik auf dem Prüfstand. Über Hoffnungen und Zweifel an einem neuen Ansatz
Weinheim: Beltz Verlag 2019, 120 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-407-25815-1

 

Weiterführende Links:

Beltz Verlag: Jens Beljan / Michael Winkler, Resonanzpädagogik auf dem Prüfstand
Wikipedia: Michael Winkler
Universität Jena: Jens Beljan

 

Andreas Markt-Huter, 21-10-2021

Bibliographie

AutorIn

Jens Beljan / Michael Winkler

Buchtitel

Resonanzpädagogik auf dem Prüfstand. Über Hoffnungen und Zweifel an einem neuen Ansatz

Erscheinungsort

Weinheim

Erscheinungsjahr

2019

Verlag

Beltz Verlag

Seitenzahl

120

Preis in EUR

20,60

ISBN

978-3-407-25815-1

Kurzbiographie AutorIn

Jens Beljan ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildung und Kultur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Michael Winkler, Dr. phil. habil., war bis 2018 Professor für Allgemeine Pädagogik und Theorie der Sozialpädagogik sowie langjährig Direktor des Instituts für Bildung und Kultur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er lehrt heute an der Evangelischen Hochschule Dresden und im Masterstudiengang der ARGE Bildungsmanagement in Wien und arbeitet als sozialpädagogischer Schriftsteller.