Gerhard Schneider, Transfer

Buch-Cover

"Transfer ist in der Geschichtsdidaktik ein noch relativ neuer, unverbrauchter Begriff. Frühere Gesellschaften  brauchten ihn [...] nicht, denn der Geschichtsunterricht musste über lange Zeit keinen Nachweis seiner Notwendigkeit und seines Nutzens erbringen." (22)

In einem theoretischen und praktischen Teil setzt sich der Geschichtsdidaktiker Gerhard Schneider mit dem Thema Transfer im Geschichtsunterricht auseinander. Damit ist gemeint, wie sich bereits erlerntes Geschichtswissen und historische Methoden in verschiedenen Bereichen des Geschichtsunterrichts, aber auch des Alltagslebens abrufen und anwenden lassen.

"Unter Transfer [...] versteht man die Reaktivierung und Übertragung von bereits Gelerntem und das An- und Verwenden von Kenntnissen, Einsichten, Fähigkeiten, Fertigkeiten, die in früheren Unterrichtszusammenhängen erworben wurden, in neuen Lern- und außerschulischen Lebenszusammenhängen." (10)

Schneider unterscheidet dazu vier Formen des Transfers. Da gibt es zunächst einmal den Methodentransfer, also die Anwendung verschiedener, an konkreten Beispielen erprobter Methoden auf ähnlich gelagerte Fragestellungen, dazu zählen z.B. Praktiken wie Gruppenunterricht, Text- und Bildinterpretation, das Auffinden und Auswerten von Fachliteratur, die Recherche in Archiven und Bibliotheken usw.

Als zweiter Form des Transfers nennt Schneider den Ereignis- bzw. inhaltsbezogenen Transfer, der größere Schwierigkeiten bereitet als der Methodentransfer. Hier sollen strukturelle Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit, sowie die Wechselbeziehung und Wechselwirkung von Ereignissen zu einander in Beziehung gesetzt werden. Ein solcher Transfer setzt bereits große fachliche Kenntnisse sowie ein hohes Maß an Sensibilität voraus, wobei der Kontext der beiden Lerngegenstände, die miteinander in Beziehung gesetzt werden, vergleichbar sein muss. Damit wird die Hoffnung verbunden,

dass der Transfer "ältere Wissensbestände" das Erlernen des neuen Unterrichtsinhalts erleichtern und ggf. beschleunigen könnte. (17)

Der Transfer begrifflich-kategorialen Wissens stellt die dritte Form des Transfers im Bereich der Geschichtsdidaktik dar. Darunter versteht Schneider die zunehmend komplexer werdende Verwendung von Begriffen aus dem Geschichtsunterricht, deren Bedeutung im Laufe der Zeit immer mehr vertieft und verfeinert wird, wie z.B. der Begriff der Revolution, Restauration, Nationalismus, Liberalismus, usw.

Der "Transfer" von Wissen und Fertigkeiten zum Verständnis geschichtskultureller Gegebenheiten in der Lebenswelt der Schüler stellt die vierte Form des Transfers in der Geschichtsdidaktik dar. Darunter sind alle Inhalte und Methoden des Geschichtsunterrichts zu verstehen, welche die Schüler in ihrem späteren Alltags- und Berufsleben brauchen und anwenden können.

In weiteren Kapiteln behandelt Gerhard Schneider früher verwendete Formen des Transfers, die "Wechselbeziehung des Transfers mit anderen Prinzipien des Lernens" (29), die Rolle des Lehrers für den Transfer und das Interesse der Schüler sowie die Umsetzung des Transfers im Geschichtsunterricht, in anderen Fächern sowie im Alltag. Den theoretischen Teil schließen die Kapitel "Der Ertrag von Transfer", das sich mit der Anwendung von erlerntem Wissen über den behandelten konkreten Gegenstand hinaus auseinander setzt. Am Ende werden die bestehenden Defizite für den Bereich des Transfers in Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik der Gegenwart aufgezeigt. Der anschließende umfangreiche praktische Teil bietet zahlreiche detaillierte Beispiele für die Umsetzung der verschiedenen Formen des Transfers im Unterricht.

Gerhard Schneiders Fachbuch für den Geschichtsunterricht "Transfer" bietet sowohl die theoretische Grundlage für die gezielte Anwendung verschiedener Formen des Transfers im Geschichtsunterricht als auch eine Fülle an praktischen Beispielen dafür, wie Transfer von Methoden und Wissen aus dem Geschichtsunterricht im weiteren Unterricht und im Alltag aussehen kann. Ein wichtiges und empfehlenswertes Buch für alle Geschichtslehrer und an Geschichte interessierten Leserinnen und Leser, die sich für die Frage interessieren, wozu Beschäftigung mit Geschichte gut sein soll.

Gerhard Schneider, Transfer. Ein Versuch über das Anwenden und Behalten von Geschichtswissen, aus der Reihe: Methoden historischen Lernens
Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2009, 176 Seiten, 15,30 €, ISBN 978-3-89974531-3

 

Weiterführende Links:
Wikipedia: Gerhard Schneider

 

Andreas Markt-Huter, 27-09-2011

 

 

Bibliographie

AutorIn

Gerhard Schneider

Buchtitel

Transfer. Ein Versuch über das Anwenden und Behalten von Geschichtswissen

Erscheinungsort

Schwalbach

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Wochenschau Verlag

Reihe

Methoden historischen Lernens

Seitenzahl

176

Preis in EUR

15,30

ISBN

978-3-89974531-3

Kurzbiographie AutorIn

Gerhard Schneider ist ein Geschichtsdidaktiker, der an der Universität Hannover und an der Pädagogischen Hochschule Freiburg gelehrt hat, dazu Gastprofessuren an der Universität Halle und an der Humboldt-Universität zu Berlin innehatte. Schneider hat maßgeblich die Didaktik und Methodik für den Einsatz schriftlicher Quellen im Geschichtsunterricht untersucht und damit den quellenorientierten Unterricht der letzten Jahrzehnte gestützt.