Rezension:Peter Enzinger, Georg Bernsteiner, mechanismen und defekte gezeichnetes gebeichtetes geklautes
Schon am Cover ist die Ordnung aufgezeichnet. Peter Enzinger ist für das Lyrische zuständig, das sich mit Mechanismen und Defekten beschäftigt und Georg Bernsteiner kümmert sich in seinen Bleistiftzeichnungen um Gezeichnetes, Gebeichtetes und Geklautes.
Beide Künstler sind hingebungsvolle Vertreter ihrer Sparte, die ihr Handwerk gelernt haben und jetzt ausprobieren, was die Axt anrichtet, wenn sie kurz daneben schlägt.
Bei den Gedichten fällt auf, dass sie graphisch in einem Werkbankzustand gehalten sind, Type und Zeilenauslauf erinnern an Typoskripte aus der alten Beatnikzeit, man sieht eine leise Abschmuddelpatina über den Metaphern liegen, aber gerade diese nostalgische Irritation ist erwünscht.
Die Gedichte tragen adrette Überschriften, die freilich augenzwinkernd über-gut gemeint sind und dadurch den Text ins Wackeln bringen. ?verlegenheitsloesung?, ?fünf falsche fingerlinge?, ?wortirrgarten? oder ?windiges gedicht? deuten darauf hin, dass man dem dargestellten lyrischen Verfahren nicht ganz trauen darf. Dabei wird das Misslingen des angestrebten Ziels ins Auge gefasst nach dem Motto, wer am Tor vorbeifährt, kann trotzdem Schnellster sein.
Eine zweite Textsorte beschäftigt sich mit verhunzten Sprichwörtern. ?haupt und sache?, ?endeffekte (defekte)?, ?unterste schublade? oder ?grüner klee? greifen die Schlüsselwörter von Alltagsreden auf und machen sie lyrisch fertig. Am Beispiel des ?blauen briefs? sieht man, wie plötzlich die schlimme Bedeutung eines Kündigungsschreibens durch permanente lyrische Anrufung verloren gehen kann, bis etwas Nettes, Putziges übrig bleibt, das man zu Sonntagsstimmungen ungestraft rezitieren kann.
Die Zeichnungen stehen diesen Entlarvungen um nichts nach. Gleich zu Beginn wird das Titelblatt durchgestrichen, ein Kopf trägt einen Wollknäuel an Strichen in seinem Innern und der Höhepunkt von Strichchaos ist eine Kotzszene, bei der ein Mund mehr ausspeit als je in seinem Innern Platz hatte. Selten ist auch das Wunder einer Himmelfahrt so gekonnt dargestellt worden, im Versuch eins sieht man die Beine eines Doubles vom Himmel hängen, im Versuch zwei ist es dann der Master himself, der mit Löchern in den Fußristen gen Himmel fährt.
Gute Kunst darf auch fröhlich sein! Das ist jedenfalls die ermunternde Nachricht, die von diesem Buch ausgeht. Ein Lyrikband hat dann gewonnen, wenn man sich daraus eine Fügung für die Ewigkeit merken kann. ?Schiff nach den Sternen? ist vielleicht so ein Begriff, den man gerne in Erinnerung behalten wird. Wobei Schiff für das Tätigkeitswort ?schiffen? steht, wofür feine Menschen Wasser abschlagen sagen.
Peter Enzinger / Georg Bernsteiner, mechanismen und defekte. gezeichnetes gebeichtetes geklautes. Gedichte / Zeichnungen.
Wien: edition ch 2004. 100 Seiten. EUR 11,-. ISBN 3-901015-25-6.
Helmuth Schönauer, 30-11-2004