Victoria Kumar u.a. (Hg.), Antisemitismen. Sondierungen im Bildungsbereich
„Mit der vorliegenden Publikation wird ein neuer Weg beschritten: Expert:innen aus unterschiedlichsten Disziplinen werden mithilfe von strukturierten Interviews befragt, um ersten einen differenzierten Blick auf den Bildungsbereich zu gewinnen und um zweitens den Hochschulen, die Lehrer:innen bilden, Hinweise an die Hand zu geben, wie sie mit Antisemitismus und Holocaust-Verharmlosung und –Verzerrung („Holocaust Distortion“) umgehen können. (S. 8)
In Form von Beiträgen und Interviews mit verschiedenen Expertinnen und Experten zum Thema Antisemitismus werden die verschiedenen Facetten des Antisemitismus in der Gegenwart beleuchtet und aufgezeigt, welche Rolle, Möglichkeiten und Aufgaben speziell der Bildungsarbeit bei der Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus zukommt.
In der Einleitung werden zunächst die Ursprünge, Formen und Wendepunkte von Antisemitismen, ihre gegenwärtigen Ausformungen und strafrechtlichen Aspekte, die Auseinandersetzung mit Antisemitismus im Bildungsbereich sowie Handlungsempfehlungen für die Prävention und Intervention vorgestellt. Dazu werden die Interviewfragen sowie das methodische Vorgehen und das Interesse der Herausgeber am Ende näher erläutert.
In den daran anschließenden 22 Interviews mit Experten aus den verschiedensten Fachbereichen wird unterschiedlichen Problemstellungen zum Thema Antisemitismus nachgegangen, wie z.B. weiterhin verbreiteten Stereotypen über das Judentum, Judenwitze, antisemitische Kritik am Staat Israel aber auch die Hemmungen, über Judentum zu sprechen sowie die Präventionsmöglichkeiten in der Schule, um gegen Antisemitismus vorzugehen.
Vor allem im Bildungsbereich stellt die Antisemitismuskritik hohe Anforderungen an das Hintergrundwissen und die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrerinnen und Lehrer. Dabei wird gezeigt, dass Aufklärung im Vorhinein mehr Erfolg zeigt, als ein Einschreiten gegen Antisemitismus im Nachhinein. Außerdem wird es als überaus wichtig betrachtet jene klar zu benennen, die Interesse am Antisemitismus haben und diesen gezielt instrumentalisieren.
Daneben soll Antisemitismus auch im größeren Rahmen des Einsatzes und Kampfes für die Menschenrechte betrachtet werden, wobei vor allem dem Geschichtsunterricht eine besondere Bedeutung zukommt, um die Entstehung von Diskriminierungen aus der Vergangenheit zu verstehen. Zudem kommen in den Interviews wichtige Präventionsmöglichkeiten und Interventionsmöglichkeiten speziell im Bildungsbereich zur Sprache.
Am Ende finden sich fünfzehn Thesen und vier Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Antisemitismus an Schulen und Hochschulen sowie eine Arbeitsdefinition dafür, was unter „Antisemitismus“ aber auch unter „Leugnung und Verfälschung bzw. Verharmlosung des Holocaust“ zu verstehen ist.
Das überaus empfehlenswerte Sachbuch zum Thema „Antisemitismus im Bildungsbereich“ bietet eine Fülle an Hintergrundwissen, Anregungen und Hilfen für die theoretische Aufklärung über Antisemitismus und seine verschiedenen Spielarten im Unterricht sowie den praktischen Umgang mit Antisemitismus in der Schule. Dabei kommen aktuelle Themen wie die BDS-Bewegung, die zum Boykott und zu Sanktionen gegen Israels aufruft, ebenso zur Sprache wie weiterhin verbreitete antisemitische Einstellungen, Vorurteile und Diskriminierung zur Sprache. Insgesamt zielt die Sammlung von Interviews und Beiträgen darauf ab, den Pädagoginnen und Pädagogen Hilfestellung, Hintergrundwissen, Präventionshilfen und schließlich auch Interventionshilfen gegen Antisemitismus zu vermitteln.
Victoria Kumar / Werner Dreier / Peter Gautschi / Nicole Riedweg / Linda Sauer / Robert Sigel (Hg.), Antisemitismen. Sondierungen im Bildungsbereich
Frankfurt a. Main: Wochenschau Verlag 2022, 272 Seiten, 37,10 €, ISBN 978-3-7344-1457-2
Weiterführender Link:
Wochenschau Verlag: Victoria Kumar / Werner Dreier u.a., Antisemitismen. Sondierungen im Bildungsbereich
Andreas Markt-Huter, 19-12-2022